Humorkritik | Juli 2023
Juli 2023
»Es bringt nichts, die Weltlage mit Humor zu sehen.«
Joko Winterscheidt

Flehgesänge aus dem Bühnenwald
Vier Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter stehen in einer verschneiten Waldlandschaft und besingen prekäre Arbeitsverhältnisse im Kulturbetrieb. Dieses auf den ersten Blick nicht gerade aufregende Thema wird in »Szenario« von Jan Philipp Stange auf sehr unterhaltsame Art auf die Bühne der Frankfurter Naxoshalle gebracht: Das Libretto des Musicals besteht fast ausschließlich aus dem Text des Fördergeldantrags für das Stück.
Diese schon komische Grundidee wird zudem erfreulich kompromisslos umgesetzt: So wird der gesungene Förderantrag nur unmerklich für die Begleitmusik von Klavier, Cello und Perkussion zurechtgestutzt und entgleitet ihr rhythmisch immer wieder. Auch wird die durchs Stück führende Metapher – die vier scheitern auf vielfältige Weise bei dem Versuch, einen umgefallenen Baum zu beseitigen – dem Publikum auf folgende Weise erklärt: Es geschehe dies einfach deshalb, weil es in einem Punkt des Antrags so vorgesehen sei.
Da das Konzept auf Dauer vermutlich eintönig wäre, wird der Fördergeld-Flehgesang immer wieder unterbrochen, und die Darstellerinnen und Darsteller singen über ihre persönlichen Erfahrungen und die Entfremdung in der Kulturarbeit. In diesen Momenten kippt die zuvor noch ironische Auseinandersetzung, die die eigene (vermeintliche) Weinerlichkeit miteinbezieht, in eine ernsthafte, ohne aber je ganz den Spaß zu verlieren und die komisch-musikalische Form zu vergessen.
Ein Kritikpunkt an »Szenario«: Es sind keine weiteren Aufführungen geplant, zumindest derzeit. Was eine mögliche Wiederaufnahme des Stücks angeht, bleibe ich aber hoffnungsvoll. Seien Sie aufmerksam, sollte es in Ihre Stadt kommen! Belohnen Sie die Kulturarbeit und sich selbst! Ich flehe Sie an!