Humorkritik | Januar 2023

Januar 2023

»Im besten Fall bewahrt einen irgendwann eigene Einsicht und nicht nur eine Mehrheitsentscheidung davor, bestimmte Witze rauszuhauen. Das Verb deutet es ja schon an: Die Energie dahinter ist von der Gewalt nicht frei, die sie im Humor bannen will. Es gibt gute Gründe dafür, sich Sprachen und Humor zu wünschen, die auf jede Form von Gewalt verzichten können. Vielleicht entstünden sie von allein in einer Welt, die durch die Abwesenheit von Gewalt gekennzeichnet wäre.«
Hanna Engelmeier

Lecker Fundstück

Manche Bücher sehen komikträchtig aus, sind aber dann nicht ganz so komisch. »Sieh da, Mentz, ein bunt bedruckter Roman eines verrückten jungen Georgiers«, dachte ich, als mir »Zoorama« von Zaza Burchuladze in die Hände geriet (deutsch im Tropen Verlag). Leider ist das Buch aber mehr grotesk als lustig, die (Kern-)Geschichte über eine kleine georgische Exilfamilie, ihren schriftstellernden Bekannten und »ein Hochhaus, das hermetisch abgeriegelt ist, aber die ganze irrsinnige Welt zu beherbergen scheint«, erstickt unter einer Unmenge Personal, dem unbedingten Willen zur Abschweifung und vielen literarischen Kreuz- und Querverweisen (»Alle Düfte ähneln einander, jeder Gestank stinkt auf seine eigene Weise«, riecht es an einer Stelle etwa nach »Anna Karenina«).

Nun darf es in einem Kunstwerk zugehen, wie der Autor will; damit verrückte Einfälle funktionieren, sollte allerdings vorher ein Gefüge etabliert werden, das Abweichungen erst möglich macht. Reinigt die Tochter ihr Gehirn, indem sie eine kleine Fontäne aus der Fontanelle sprudeln lässt, dann fühle ich mich eher in einen Traum versetzt als amüsiert; Kakerlaken, die wie Wölfe heulen, und Schnabeltiere, die im Klobecken gefunden werden, rechtfertigen immerhin den Buchtitel. Burchuladzes Assoziationswut und Bildungsgespreize helfen leider auch nicht weiter: »Ich denke sofort an unzählige, in den Winkeln meiner Erinnerung versteckte Rosen, von denen des Lukullus bis zu denen, die auf Asteroid B-612 wachsen, über ›Die Rosen des Empyreums‹, ›Die kranke Rose‹ bis zum Holzschlitten namens Rosebud, von der Windrose bis zum Rosenblütenblatt, mit dem sich Däumelinchen nachts zudeckt …« So klingen Materialsammlungen.

Es wäre aber gelacht, wenn ich nicht trotzdem eine schöne Stelle entdeckt hätte. »Das Mädchen jedoch beobachtete die Kinder irgendwie hinterlistig und verschämt, zupfte dabei die Schnürsenkel an ihren Sneakers zurecht, als ob sie nur eines im Sinn hätte – ein Kind nach Hause mitzunehmen, ihm die Finger mit einer Gartenschere abzuschneiden, es an die Wand zu nageln, sich vor es zu setzen und lecker Ananaskompott zu essen.« Manche Bücher haben einen einsamen Höhepunkt; diesen hier könnte ich mir sowohl von Eugen Egner gezeichnet als auch von Helge Schneider vorgetragen vorstellen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner