Humorkritik | Januar 2023
Januar 2023
»Im besten Fall bewahrt einen irgendwann eigene Einsicht und nicht nur eine Mehrheitsentscheidung davor, bestimmte Witze rauszuhauen. Das Verb deutet es ja schon an: Die Energie dahinter ist von der Gewalt nicht frei, die sie im Humor bannen will. Es gibt gute Gründe dafür, sich Sprachen und Humor zu wünschen, die auf jede Form von Gewalt verzichten können. Vielleicht entstünden sie von allein in einer Welt, die durch die Abwesenheit von Gewalt gekennzeichnet wäre.«
Hanna Engelmeier
Im Ernst im Museum
Wer wie ich gern in Museen geht, dem ist bestimmt schon aufgefallen: Gelacht wird hier selten, eigentlich nicht häufiger als in Kirchen oder auf Kasernenhöfen. Warum eigentlich? Über komische Erzeugnisse wird meist nur ein einziges Mal gelacht; das Überraschungsmoment des ersten Blicks lässt sich nicht beliebig wiederholen. Weil es aber ziemlich aufwendig ist, ein Tafelbild nach allen Regeln der Kunst zu malen, schien es den meisten alten Meistern wohl nicht der Mühe wert, komisch gemeinte Inhalte in diese Form zu bringen. Andacht, Rührung, Ergriffenheit lassen sich immer wieder herstellen; diese Regungen entstehen nicht so spontan wie das Lachen.
Wenn sich nun ein großes Museum wie die Bundeskunsthalle in Bonn aufrafft, »Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst« auszustellen, weckt das gewisse Erwartungen. Meine wurden glatt unterboten. Die beiden Kuratoren Cristina Ricupero und Jörg Heiser hatten Großes vor: »Ein zentraler Gedanke unserer Ausstellung ist der der enthusiastischen Peinlichkeit«, so Heiser. Was immer das sein soll. »Der vergnügliche Rundgang umfasst Werke von rund 100 Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt und spannt einen Bogen vom 16. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart« – wenn ich das lese, erwarte ich mir mehr als zwei groteske Grimassen von Franz Xaver Messerschmidt und einen Kupferstich von Pieter Bruegel d. Ä., die auf einem Viertelquadratmeter sämtliche Jahrhunderte vor dem 20. vertreten müssen. Ganz abgesehen davon, dass Bruegels Darstellung von »Drei Narren« nicht zwingend komisch, allenfalls lehrreich ist. Danach wird es nicht lustiger. Was von Dada übriggeblieben ist – meist Fotos, Plakate oder Programmzettel –, hat zwar dokumentarischen Wert, die Komik dahinter muss man sich aber vorstellen. George Grosz ist wie immer für Zeitkritik zuständig, und was an de Chiricos surrealistischen Fantasien komisch sein soll, bleibt rätselhaft. Von Magritte ist nur eine wenig originelle Variante seiner berühmten Nicht-Pfeife zu sehen. Wie überhaupt von bewährten Komiklieferanten wie Martin Kippenberger, Sigmar Polke oder Fischli & Weiss nicht eben die stärksten Stücke ausgestellt werden.
Wenn wir zur Gegenwart kommen, wird es vollkommen beliebig. Pipi-Kacka-Ficki-Humor ist gut vertreten, oft ist es allein der Kontrast zwischen Aufwand und Effekt, der unfreiwillig komisch wirken könnte. Dafür wird die Angestrengtheit umso deutlicher. Am Beispiel dreier Exponate von Hans-Peter Feldmann aus dem Jahr 2012 lässt sich das gut erkennen: Zwei biedermeierliche Porträts, denen der Künstler Schielaugen verpasst hat, reizen fast zum Lachen. Dass er die gleiche Schiefstellung der Pupillen auch der Nofretete-Büste gegenüber gegönnt hat, erstickt das gleich wieder. Seit Marcel Duchamp der Mona Lisa einen Schnurrbart aufgemalt hat, verbietet sich dieser Umgang mit ikonischem Material. Und verglichen mit dem Duchamp zugeschriebenen gut hundert Jahre alten »Fountain« verblassen auch die hier gezeigten Provokationsversuche. Solche Traditionslinien lassen sich für die meisten Ausstellungsstücke ziehen – so originell, wie die Kuratoren anscheinend glauben, ist in der Bundeskunsthalle das Wenigste.
Freiwillig und unfreiwillig Komisches, Nichtgekonntes und Ungewolltes mischen sich auf ungute Weise. Wer über die misslungenen Filme eines Ed Wood oder die spekulativen Machwerke von Russ Meyer und John Waters immer noch lachen mag, den kann ich um seinen schlichten Geschmack nur beneiden.
Und wo bleibt das Positive? Ein Gemälde des Amerikaners Raphaelle Peale aus dem frühen 19. Jahrhundert hat mir gefallen. Es zeigt ein augentäuschend gut gemaltes weißes Tuch, die Hand und den Fuß dahinter nahm ich erst wahr, als ich den Titel las: »Venus dem Meer entsteigend«.
Leider hängt das nicht in Bonn, sondern derzeit in Wien und bald wieder in Kansas City. In der Bundeskunsthalle musste ich bloß einmal lachen: über ein Blatt aus der Sammlung Prinzhorn. Es ist von Erich Spießbach, der sich selbst ausweist als »Technischer Hilfsarbeiter, dreifach diplomierter Idiot« und »konfuser, diffuser Irrenhausinsasse«. Sein gezeichneter Buchtitel lautet: »Leerbuch und Formenlehre des Waansinns und der Vernunft«. Laut Untertitel: ein »Taschenbuch für alle die wo was mit Wahnsinn und Vernunft zu tun haben und für Gutachter«. Als Gutachter kann ich nur sagen: Das ist vorbildlich formuliert.