Humorkritik | August 2023

August 2023

»Der Gedanke an Unsterblichkeit ist komisch geworden. – Er bedeutet mir um kein Haar weniger.«
Elias Canetti

Kompetenter Komik-Kurs

Dass Literatur über komische Kunst ihrerseits selten komisch ist, mag eine Binse und ja auch überhaupt nicht zu beanstanden sein. Wesentlich schlimmer, wenn es Sach- und Fachbüchern zum Themenbereich Komik an klarer Struktur mangelt und am richtigen Gebrauch der entsprechenden Begriffe: Ironie, Satire, Zynismus, Humor, Witz und so weiter – was all das ausmacht und wie es sich voneinander unterscheidet, geht häufig durcheinander.

Wie erholsam, wenn ein Werk mal von diesen grundsätzlichen Schwächen frei ist. In seinem knapp 130 Seiten schmalen Büchlein »Trotzdem lachen. Eine kurze Philosophie des Humors« (Blessing, 2022) wendet der laut Verlag »Erfolgsautor« Yves Bossart die Terminologie sauber und sachgemäß an und referiert kundig, kritisch und differenziert die gängigen Theorien, von Platon und Hobbes über Nietzsche und Freud bis zu Bergson und Gernhardt: »Die Idee, dass Komik immer mit Inkongruenz zu tun hat, ist verlockend. Aber auch sie kann nicht sämtliche Arten von Komik erklären. Wir müssen also weitersuchen.« Und das geschieht dann auch. Fragen wie »Wozu Humor?«, »Warum finden wir etwas lustig?« oder »Worüber darf man lachen?« geht Bossart konzis und – ich wiederhole mich nur zu gern, weil es einfach nicht oft Anlass dazu gibt – korrekt nach, sodass Leute, die sich mit all diesen Komik- und Humorzusammenhängen noch nicht oder nur wenig beschäftigen konnten, nach der Lektüre einen vernünftigen Überblick über die Materie haben und hoffentlich klüger sind. Wenn man sich an Kleinigkeiten wie der etwas leichtfertigen Etikettierung des aufsatzartigen Abrisses als »Philosophie« nicht stößt, wenn es einen nicht stört, dass Bossart seinen Stoff im »In diesem Kapitel wollen wir herausfinden«-VHS-Kurs-Stil darbietet und sein Publikum mit unnötigen persönlichen Teasern (»Es gibt diese schönen Abende. Man sitzt mit Freunden gemütlich zusammen …«) und launigen Familienanekdoten um seine kleinen Töchter »abholt«, und wenn man überdies auch nicht erwartet, der Autor habe umwerfend neue Erkenntnisse im Ärmel, dann ist man mit »Trotzdem lachen« gut bedient. Einfach weil, sollte ich das noch nicht erwähnt haben, der Verfasser sauber und korrekt mit den Begriffen umgeht.

Wo das doch so selten vorkommt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Hans Traxler: »Die Dünen der Dänen«