Humorkritik | August 2023
August 2023
»Der Gedanke an Unsterblichkeit ist komisch geworden. – Er bedeutet mir um kein Haar weniger.«
Elias Canetti

Andersons Wüstenmeisterwerk
Ich hatte meinen nicht geringen, sondern ganz im Gegenteil großen, wenn nicht sogar asteroidenkratergroßen Spaß mit Wes Andersons neuem Film »Asteroid City«. Dies umso mehr nach dem vergleichsweise verworrenen, halsstarrig artifiziellen Vorgänger »The French Dispatch« (2021), der vor allem zeigte, dass das Episodenhafte nicht Andersons Disziplin ist. Hingegen erscheint mir seine nunmehrige Geschichte um einen Kongress jugendlicher Sternenforscher im staubigen Irgendwo der Wüste Arizonas als sein so ziemlich bester Film; und vielleicht sogar als sein komischster.
Praktisch jede einzelne der erfreulich vielen langen Kamerafahrten durch die wundersam elegischen Sets birgt mindestens drei visuelle Scherze, manchmal auch deutlich mehr. Und wie habe ich mich an den perfekt inszenierten Green-Screen-Tricks delektiert, die ein Stümper einfach vor einen computergenerierten Hintergrund geklatscht hätte – Anderson indes gönnt sich und meinem Betrachterauge liebevoll gebastelte Realkulissen. Mühelos schnurrt der Plot durch die drei verschachtelten Erzählebenen, an ebenso trockenen wie bizarren Pointen ist kein Mangel, und am Ende darf auch noch ein herzzerreißend linkischer Alien aus einem Raumschiff klettern.
Freilich prunkt auch diesmal des Texaners Meisterwerk mit einem stupenden Staraufgebot: müßig, alle hier aufzulisten. Eher käme man evtl. voran, zählte man nur die auf, die nicht mitspielen durften. Doch selbst daraus erwächst Anderson eine schöne Pointe: Weil es nämlich Stammschauspieler Bill Murray coronabedingt erst nach Drehschluss ans Set schaffte und im Film folglich nicht vorkommt, durfte er wenigstens im Nachgang noch einen enorm komischen Trailer gestalten, in welchem er (in der Rolle eines Großindustriellen) gleich mehrmals sein aufrichtiges Bedauern darüber zum Ausdruck bringt, in diesem großartigen Film nicht vorzukommen. »Ich wünschte, ich wäre noch drin«, klagt er heiter und zugleich hoffnungslos.
Fast so amüsant wie Film und Trailer zusammen fand ich das angestrengte Gemäkel der Damen und Herren von der Filmkritik – sei es FAZ, sei es Taz –, die erstaunlich einmütig versuchten, Anderson seine notorische Andersonhaftigkeit anzukreiden. Doch wenn ihnen die vielen und oft genug reizenden Sperenzchen des größten Stilisten des amerikanischen Kinos nicht passen – warum schauen sie dann nicht einfach irgendeinen Tatort?