Humorkritik | September 2022

September 2022

»Das betont Eindringliche der Satire ist unnötig. Es genügt durchaus, die Dinge so darzustellen, wie sind sind. Sie sind an sich schon lächerlich genug.«
Jules Renard

Kän- gegen Guru

Seit 2009 versucht der Autor Marc-Uwe Kling, möglichst viel Kapital aus seiner Idee zu schlagen, ein Känguru als Mitbewohner aufzunehmen und dieses über linke Theorie fabulieren zu lassen: das Thema füllt mittlerweile Podcasts, Romane, Filme, Hörbücher und einen fortlaufenden Zeit-Comic. Das ist ihm nicht unbedingt vorzuwerfen; allerdings ist die Qualität der Klingschen Produktion im neuen Kinofilm »Die Känguru-Verschwörung« an einem Punkt angelangt, an dem man doch wieder einmal etwas dazu sagen könnte.

Wo im Vorgänger (»Die Känguru-Chroniken«, siehe TITANIC 3/2020) noch Überraschendes zu sehen war, etwa die Tatsache, dass ein sprechendes Känguru durch Berlin tingelt, ohne dass sich irgendjemand daran stören würde, fällt nun dem zweiten Teil gar nichts Sinnvolles mehr ein. Die Geschichte, die Kling mit seinem Co-Autor Jan Cronauer erzählt, ist simpel: Mann mit Känguru verliebt sich in Frau, deren Mutter Verschwörungstheoretikerin ist. Mann und Känguru wetten, der Mama das Geschwurbel wieder ausreden zu können. Sie machen sich sogleich an die Arbeit, es folgen ein paar Abenteuer, am Ende klappt alles. Ziel der Satire sind diesmal Anhänger von Verschwörungserzählungen. Die sind aber schon auf so viele Millionen verschiedene Arten verspottet und veräppelt worden, dass es nicht noch einen weiteren Film gebraucht hätte, um zu zeigen, wie doof sie sind. Kling fällt auch kein frischer Witz mehr ein; er recycelt fast ausschließlich alte Scherze, sogar die Bielefeld-Verschwörung wird noch einmal heranzitiert.

Aber auch abseits des Thematischen bringen Kling und sein Co-Regisseur Alexander Berner zu viel durcheinander und benutzen wahllos Elemente, von denen sie meinen, sie seien per se lustig, wie chaotisches Erzählen, Slapstick, Parodie, Selbstreferenzialität. Um komisch zu sein, benötigen solche Techniken aber Fallhöhe, Kontext oder zumindest eine Bindung an Charaktere, die mehr sind als reine Schießbudenfiguren. Stattdessen sieht das im Film so aus: Die beiden Helden spielen jedes Mal, wenn es darum geht, etwas zu entscheiden, Schnick-Schnack-Schnuck. Bald erfindet das Känguru die Variante »Open Schnick«, bei der man sich selbst etwas ausdenken kann, das man dann auf »Schnuck« mit der Hand darstellt; der Sieger wird anschließend im Diskurs ermittelt: »Was soll das sein, Alter, schon wieder ’ne Giraffe?« – »Das ist ein Tyrannosaurus Rex, du Opfer!« – »Interessant. Fun Fact: Meine Faust war ein herabstürzender Meteorit.« – Und das ist noch der lustigste Dialog.

Kling möchte ich indes dringend raten, sein Känguru bald dem Universum zu überlassen. Womit wir bei der einzigen wirklich sinnvollen Idee des Films wären: Die Verschwörungsfreaks planen nämlich, das Känguru zum Abendessen zu verspeisen, und da kann man ihnen ausnahmsweise einmal gutes Gelingen wünschen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg