Humorkritik | September 2022
September 2022
»Das betont Eindringliche der Satire ist unnötig. Es genügt durchaus, die Dinge so darzustellen, wie sind sind. Sie sind an sich schon lächerlich genug.«
Jules Renard
On the Beach
Weil der Volksfest- und Ballermannhit »Layla« von deutschen Kommunen als sexistisch indiziert worden ist, hatte das Zeitmagazin die heiße Idee, Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu fragen, ob sie nicht ihrerseits ein Stimmungslied schreiben wollten; bloß dass Schriftsteller zu sein möglicherweise gerade nicht dazu befähigt, Bierzelte zum Kochen zu bringen. Heinz Strunk, mit allen Wassern der Trashkultur gewaschen, kann das Genre immerhin dekonstruieren: »Breit in 100 Sekunden, / In alle Löcher lass ich es laufen, / Dann bleib ich breit für einhundert Stunden, / Immer nur saufen, saufen, saufen«; Jan Weiler dagegen reimt brav für den Seniorenfasching (»Heute ist die Bude voll / Ganz genau wie wir / Den Nachbarn ist es viel zu doll / Das ignorieren wir«), und sowohl Wladimir Kaminer als auch die Autorin Carla Kaspari haben die Aufgabe nicht kapiert und werden gratiskritisch: »Ohne die ganzen Männer / wäre es viel angenehmer / Sie juckt und kratzt und bellt, / die toxische Männerwelt«; oder auch: »Weitersaufen, jetzt wird’s immer geiler / Zeile, Zeile, Vorurteile / Hier geht’s um gar nichts / Außer Geschlechtsteile«. Den (eigenen) Vogel abgeschossen hat allerdings Mirna Funk, die es für einen guten Witz hielt, ihren Beitrag »am Strand zusammen mit ihrer Tochter Netta (6)« zu verfassen, schon um anzuzeigen, dass einen Stimmungshit zu schreiben was für die Freizeit und Sechsjährige sei: »Sonne scheint / Rücken nass / Hose kurz / Verwuchsen (!) krass // Dreh dich um, zu dir selbst, / mach die Augen auf / Egal, wie grell / Egal, wie grell / Mach die Augen auf« usw. Bzw.: Was?
Was zu beweisen war: »Layla« und Verwandtes sind, was immer man aus kulturkritischer Perspektive davon halten mag, die Arbeit von Profis, die wissen, wie man Ironie so vereigentlicht, dass sie genau zwischen Klein- und Großhirn passt. Und bravouröse Nonsenszeilen wie Tim Toupets »Ich hab ’ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Döner«, die vor Funks geistverlassenem Gestotter als reine Poesie erscheinen, werden noch Teil des »Volksvermögens« (Peter Rühmkorf) sein, wenn unsre grellsten Spitzenkräfte längst vergessen sind.