Humorkritik | November 2022
November 2022
»Das ist ja oft das falsch Verstandene an Komödien: Wenn man selbst komisch sein will, wird das nichts. Man muss so ernst wie möglich spielen, ganz nah an der Katastrophe vorbei. Erst daraus entsteht der Witz.«
Uschi Glas
Aus der Zeit gefallen
Wenn es nach Kurt Vonnegut geht, ist der Tod nicht das Ende bzw. eh alles nur eine Frage der Perspektive. Von den Bewohnern des Planeten Tralfamadore lernt Billy Pilgrim, der Held des bekanntesten Vonnegut-Romans, sein Leben als von Beginn an abgeschlossenes Projekt zu begreifen, und durchlebt fortan bedeutsame und banale Momente immer wieder – die Bombardierung von Dresden, den Abstecher in die Klapsmühle oder seinen Versuch, im volltrunkenen Zustand das Lenkrad seines Autos zu finden. Was mich auch beim Wiederlesen von »Schlachthof Fünf« begeistert hat, sind der dezidierte Verzicht auf vorsätzlich Profundes und das komische Timing des Erzählers, der allem sinnlosen Sterben nur seinen unerschütterlichen Refrain entgegenhält: »So it goes«, so isses eben.
Nach Billy Pilgrims Zeitmalaise ist auch der Dokumentarfilm »Kurt Vonnegut: Unstuck in Time« benannt, den Robert B. Weide, Miterfinder von »Curb Your Enthusiasm« (und mittlerweile unfreiwilliger Namenspatron eines beliebten Internet-Memes) im letzten Jahr vorgelegt hat. Der Jungfilmer Weide schrieb einst einen Fanbrief an sein literarisches Idol Vonnegut und rang diesem die Einwilligung zu einem biografischen Porträt ab, bis zur Fertigstellung sollten allerdings 40 Jahre ins Land gehen. Auch wenn Weide sein Sujet im Unterschied zu Billy Pilgrims Anti-Heldenreise eher konventionell aufbereitet, nämlich von der Wiege bis zur Bahre, konnte ich mich für »Unstuck in Time« sehr erwärmen – selbst da, wo sich Weide selbst zum Teil der Erzählung macht und den Eckermann gibt. Über die ungetrübte Hagiographie lässt sich hinwegsehen, denn man wird schwerlich einen sympathischeren und gewitzteren Gesprächspartner finden als den 2007 verstorbenen Vonnegut, der mit 83 eine Klage gegen einen Zigarettenhersteller erwog, »weil ich die verdammten Dinger seit meinem 14. Lebensjahr rauche und immer noch nicht tot bin«, und der im Film mit zahlreichen guten Tipps aufwartet: »Wenn du deinen Eltern wirklich wehtun willst, aber nicht den Nerv hast, schwul zu werden, dann arbeite wenigstens als Künstler!« Dass »Unstuck in Time« zu Vonneguts 100. Geburtstag am 11. November nach wie vor keinen deutschen Verleih gefunden hat, ist bedauerlich. Aber so isses eben.