Humorkritik | November 2022
November 2022
»Das ist ja oft das falsch Verstandene an Komödien: Wenn man selbst komisch sein will, wird das nichts. Man muss so ernst wie möglich spielen, ganz nah an der Katastrophe vorbei. Erst daraus entsteht der Witz.«
Uschi Glas
Kreuzfahrtweise
»Triangle of Sadness«, der neue Film von Ruben Östland (»Play«), beobachtet zunächst die beiden jungen Influencer und Models Yaya und Carl bei der Arbeit und beim Streiten darüber, wer die Rechnung im Restaurant übernimmt (Carl möchte nicht immer bezahlen, weil das seiner Ansicht nach überkommene Rollenklischees reproduziert und außerdem Yaya viel besser verdient). Kurz darauf finden sich die zwei auf einer exklusiven Kreuzfahrt wieder, wo sie einem völlig aus dem (Yacht-)Ruder laufenden Captain’s Dinner beiwohnen. Hier verlieren wir sie vorläufig aus den Augen; die Erzählinstanz interessiert sich plötzlich viel stärker für den betrunkenen Kapitän (Woody Harrelson) und den russischen »Scheiße verkaufenden« Milliardär Dimitri, zwei Kerle, die sich über die Bordlautsprecher lallend und lautstark sozialistische Aphorismen vorlesen und sich einen Spaß daraus machen, die Kreuzfahrtgäste, welche nach dem Genuss von verdorbenen Meeresfrüchten bei hohem Seegang ohnehin in einem Sturm aus Kotze und Kot versinken, in Angst und Schrecken zu versetzen (»Das ist ein Notruf. Das Schiff geht unter!«).
Etwas gar plakative Gesellschaftskritik einerseits, ironisierende Distanzierung von den dargestellten Diskursen andererseits – kann das gutgehen? Es geht gut. Recht anschaulich führt Östlund vor, wie hermetisch das liberale Diskursgeseiere von der Lebensrealität der Arbeiterklasse entfernt ist (welche, um ihr einen »Gefallen« zu tun, kurzfristig zum Wasserrutschen abkommandiert wird). Stellvertretend steht dafür der Chauvinist Dimitri, der sich genau so lange als Reagan und Thatcher zitierender Superkapitalist gefällt, bis er – nach einem Piratenangriff, gestrandet auf einer einsamen Insel – der vormaligen Toilettenfrau gegenüber ganz andere, demütige Töne anschlägt, um seinen Anteil von dem angerichteten Essen zu bekommen: »Kennst du das Motto: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen?« Ja, so schnell kann’s gehen. Ruben Östlund war übrigens der erste Schwede überhaupt, der eine der begehrten Goldenen Palmen in Cannes gewinnen konnte, nämlich 2017 mit »The Square«; nun ist er auch der zweite, denn »Triangle Of Sadness« wurde ebenfalls als »Bester Film« in Cannes ausgezeichnet. Mehr Palmen nach Schweden!