Humorkritik | August 2022

August 2022

»Die höchste Lebensspanne des Menschen beträgt hundert Jahre, die mittlere Lebensspanne beträgt achtzig Jahre, die geringe Lebensspanne beträgt sechzig Jahre; abgesehen von Zeiten, in denen man an Krankheiten leidet, um Todesfälle trauert oder sich um Gefahren sorgt, bleiben höchstens vier oder fünf Tage im Monat, an denen man den Mund öffnet und lacht – das ist alles.«
Zhuangzi

Schwulizei

»Die ›Nackte Kanone‹ auf Isländisch!« Mit diesem Zitat einer britischen Filmzeitschrift wirbt »Cop Secret« aus Reykjavík für sich. Der Vergleich ist unglücklich, und auch der naheliegende mit dem titelverwandten, ebenfalls vom amerikanischen Regie-Trio Zucker / Abrahams / Zucker (ZAZ) verantworteten »Top Secret!« führt eher dazu, dass man sich fragt, warum in den 1980er-Jahren Filmkomödien möglich waren, in denen keine fünfzehn Sekunden ohne Gag vergingen: Waren die Zeiten damals flotter? Die leichten Witze interessanter als die schwere Botschaft? Das Filmbusiness weniger unter Finanzierungs- und Verwertungsdruck, so dass mit Pointen geradezu verschwenderisch umgegangen werden konnte? Gegen die berühmten ZAZ-Parodien wirkt »Cop Secret«, diese Actionkomödie um zwei schwule Polizisten, nämlich seltsam schwerfällig, auch wenn ständig gerast und geprügelt und geschossen wird.

Vergisst man den Vergleich, dann macht das dzt. im Kino laufende »Cop Secret« aber durchaus Spaß. Etwa, wenn während einer hals- und verkehrsregelbrecherischen Verfolgungsjagd, bei der Bússi, der »beste Polizist Reykjavíks«, mit seinem verängstigten Kollegen auf dem Beifahrersitz eine Motorradfahrerin hetzt, zwischendurch auf die Rückbank des Einsatzwagens geblendet wird, wo der kleine blonde Sohn des Kollegen im Kindersitz lümmelt. Bald wird Bússi, diesem hypermaskulinen Staatskiller (»Niemand ist unschuldig in dieser gottverdammten Stadt«), ein neuer Partner zugeteilt: der ebenso supermännliche, ebenso feuerfreudige Hörður, der seine Sexualität allerdings weitaus spielerischer anlegt und Bússis Verkrampftheit mit Ironie und Freundlichkeit begegnet. Beim gemeinsamen Abknallen einiger Geiselnehmer funkt es, die Arbeitspartner werden ein Liebespaar – erst heimlich, dann offiziell. Der große Fall, um den sie sich kümmern, eine Mischung aus Banküberfallserie, Erpressung, einem Hackerangriff und einem Anschlagsplan, bedient sich sehr offenherzig bei anderen Actionklassikern (»Das Fußballspiel ist nur ein Köder! Wie in ›Stirb langsam 3‹!«), nach Dienstschluss wird gesoffen, Armdrücken geübt und in der Bartoilette geknutscht. Wobei hier auch die Bösewichte auf ihre Fuckability taxiert werden, bevor man sie tötet: »Er sieht sehr gut aus. Ich weiß nicht, ob ich ihn in Unordnung bringen möchte.« Auch sonst werden Genre-Erwartungen erwartbar gebrochen: Der unvermeidliche Computer-Nerd ist eine Nerdin, die Cops machen einander Liebesversprechen während eines Schusswechsels, und dass also Polizeibrutalität auch in schwul denkbar ist, das wäre dann die Message dieses unterhaltsamen Films, die man, je nach Standpunkt, gut, schlecht oder sogar subversiv finden darf.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.11.2023 Stuttgart, Theaterhaus Max Goldt
30.11.2023 Erfurt, Franz Mehlhose Max Goldt
30.11.2023 Friedrichsdorf, Forum Friedrichsdorf Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer