Humorkritik | August 2022
August 2022
»Die höchste Lebensspanne des Menschen beträgt hundert Jahre, die mittlere Lebensspanne beträgt achtzig Jahre, die geringe Lebensspanne beträgt sechzig Jahre; abgesehen von Zeiten, in denen man an Krankheiten leidet, um Todesfälle trauert oder sich um Gefahren sorgt, bleiben höchstens vier oder fünf Tage im Monat, an denen man den Mund öffnet und lacht – das ist alles.«
Zhuangzi

Im Wüstenbus
Culture-Clash-Komödien gibt es bekanntlich viele; der humoristische Schematismus, mit dem sie das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Gebräuche und Weltanschauungen zelebrieren, gilt bei aufgeweckteren Rezipienten inzwischen zu Recht als nicht ganz koscher. »Nicht ganz koscher« ist aber auch selbst ein Culture-Clash-Film, und zwar einer der beiden deutschen Regisseure Stefan Sarazin und Peter Keller. Sein Ausgangspunkt ist das (tatsächlich existierende) Problem der Juden von Alexandria, den so genannten Minjan zu erfüllen, also die Vorgabe, wonach ein Gottesdienst nur stattfinden kann, wenn mindestens zehn jüdische Männer anwesend sind – die einst ansehnliche Gemeinde der ägyptischen Stadt ist nach den Pogromen und Vertreibungen des 20. Jahrhunderts heute kaum mehr existent.
Dieses Problem kommt dem jungen Orthodoxen Ben zu Ohren, der gerade aus New York nach Jerusalem gereist ist, um verheiratet zu werden. Weil er darauf ohnehin wenig Lust hat, will er nach Alexandria weiterfliegen, um fürs Pessach-Fest den zehnten Mann zu geben; verpasst allerdings seinen Flug und ist darum gezwungen, per Bus durch die Wüste Sinai zu zuckeln. Als sich die vom Busfahrer penibel ausgerechneten Mehrheitsverhältnisse im Fahrzeug gegen ihn wenden (weil ein pro-jüdischer älterer Herr an einer Haltestelle aussteigt), wird er hinausgeworfen, zum Glück aber von dem Beduinen Adel aufgegriffen, der bereit ist, ihn ans Ziel zu bringen; allerdings muss er zuvor sein entlaufenes Kamel finden. Dann bleibt der Pick-up im Sand stecken, Ben und Adel »stranden« in der Wüste, und wo Kamel und schließlich Alexandria gefunden werden wollen, müssen die wortkargen Herren nun wohl oder übel zusammenarbeiten, auch wenn die vielen religiösen Bräuche, die Ben praktiziert, weder mit denen Adels noch mit dem Überleben in der Wüste kompatibel sind.
»Nicht ganz koscher« ist ein komödiantischer Abenteuerfilm, eine Abfolge von Episoden, die mehr oder minder Komisches abwerfen. Gut gefallen hat mir etwa, wie ein arabischer Taxifahrer versucht, Ben so schnell wie möglich durch den Jerusalemer Verkehr zu lotsen, und dabei in eine Kundgebung linker Israelis gerät, die gegen den Zionismus demonstrieren; woraufhin der Araber den Juden zuruft: »Zahlt Steuern! Geht arbeiten!« Auch die Diskussion im mit Arabern vollbesetzten Bus, ob man diesen einen Juden nun mitnehmen soll oder nicht, macht Spaß, weil sich die muslimischen Ägypter in politischen Fragen überhaupt nicht einig sind und einander stattdessen wild verfluchen: »Mach du mal nicht so viel Schweinefleisch in dein Köfte!« – »Schweinefleisch? In meinem Köfte? Ich dreh dich durch den Fleischwolf, dann ist Schweinefleisch drin!« Leider funktioniert nicht alles so gut, einige der Nebenfiguren sind eher albern als lustig, und was komisch daran sein soll, dass Bens Angebetete eine Pigmentstörung im Gesicht hat, dürfte und sollte das Geheimnis der Drehbuchautoren bleiben. Auch dass, zumindest in einem kurzen Dialog über Israel und Palästina, ziemlich unreflektiert »für Gaza« Partei genommen wird, ist befremdlich; aber ohne Statement zu diesem Konflikt geht es offenbar nicht.
Warum jedoch der Film »Nicht ganz koscher« heißt und was das mit einem Gericht namens »Falscher Fisch« zu tun hat, schauen Sie sich bitte gern selbst im Kino an.