Humorkritik | April 2022
April 2022
»Der Sommer ist eine Jahreszeit, die nicht der Komik entbehrt.«
Gustave Flaubert
(an Turgenew, 1.6.1874)
Putin, Welke, Böhmermann
Ich hätte alles Verständnis gehabt, hätten die Chefsatiriker vom ZDF am ersten regulären TV-Freitagabend nach Putins sehr unverlangtem Einmarsch ins Nachbarland pausiert; bei Welke und seiner »Heute-Show« war meine Sorge allerdings ganz unbegründet: In gelbem Hemd und blauem Jackett und auch sonst stramm an der öffentlichen Meinung entlang wiederholte der Vorsitzende alles, was sowieso schon alle sagen. Was alle sagen, muss nicht schlechthin falsch sein, und falls Satire einen Platz haben muss, hat sie ihn an der Seite der Schwächeren; die öffentliche (Profis sagen: veröffentlichte) Meinung ist aber in der liberalen Demokratie, die Welke hochhält, etwas durchaus nicht Schwaches, so dass, manch schöner Pointe unbeschadet, mein Unbehagen über Welke als letztlich Staatskomiker blieb.
So einfach konnte es sich Böhmermann im Anschluss nicht machen, schon weil sein »ZDF Magazin Royale« auf Recherche beruht und ein smart durchgescriptetes Business-as-usual wohl gar nicht drin war. Deshalb saß er in Hemdsärmeln und lamentierte fahrig über Krieg im allgemeinen und den russischen Propagandakrieg im besonderen und bestand darauf, diese Sendung sei eine umständehalber improvisierte. Das war mir, der ich Ratlosigkeit für eine Tugend halte, zwar viel sympathischer als Welkes granitene Freude, auf der richtigen Seite zu sitzen, aber lustig war es nicht und bis auf eine kleine Kritik an den gängigen Hitler-Vergleichen auch nicht erhellend.
Er vermisse, sagte Böhmi, Harald Schmidt. Das ging mir ähnlich; falls der nicht pausiert hätte.