Humorkritik | Mai 2021

Mai 2021

Doch innerlich lachte das Herz mir!
Marc Aurel

Das Gegenteil von Thunfisch

Können Computer Künstler sein? Ja, sagt der Oxforder Mathematikprofessor Marcus du Sautoy in seinem Buch »Der Creativity-Code. Wie künstliche Intelligenz schreibt, malt und denkt« (C.H. Beck, frisch übersetzt von Sigrid Schmid): Mit den haargenau passenden Daten gefüttert, produzieren sie immerhin ein rembrandtähnliches Gemälde oder erzeugen einen Choral im Johann-Sebastian-Bach-Stil.

Mit der Literatur aber hapert es. Sogar der beste Rechner bringt nur leicht blödsinnige Gedichte zustande, und auch darin sind Menschen seit Dada geschickter. Gar eine Geschichte erzählen kann die Maschine selbst mithilfe der intelligentesten künstlichen Intelligenz nicht, weil ihr die natürliche fehlt. Schon die automatische Textkorrektur des Smartphones und die Kapriolen jedes Übersetzungsprogramms vermitteln eine Ahnung davon, dass Lexik und Grammatik den Computer überfordern. Bestenfalls kann er Ideen auswerfen, vorausgesetzt, die Programmierer füllen zuvor den Datenpool: Dann hat das Gerät vielleicht einen Fantasy-Einfall über »ein Tier, das sich mit den Augen verteidigen kann«, oder liefert die Inspiration für ein Kinderbuch: »Was wäre, wenn ein kleines Flugzeug den Flughafen nicht finden kann?« Die Antwort lautet freilich: Nichts wäre, weil der Computer mit der Frage bereits am Ende seiner nicht vorhandenen Fantasie ist. Der Mensch muss vorarbeiten, steuern, korrigieren, und selbst dann ist die Maschine schnell am Ende ihres Lateins. Gefüttert mit Dialogen aus einer und für eine Sitcom, legt der Rechner dem Schauspieler dies in den Menschenmund: »Ein Date ist das Gegenteil vom Thunfisch, Lachs ist das Gegenteil von allem anderen. Ich bin sicher, du weißt, was ich meine.«

Ein anderer Computer sollte aus einer Analyse der »Harry Potter«-Romane eine neue Geschichte konstruieren. Sie kam nicht über drei Seiten hinaus, und auf denen finden sich solche Sätze: »Roy stand dort und führte einen wilden Stepptanz auf. Er sah Harry und machte sich sofort daran, Hermines Familie zu fressen. Rons Ron-Hemd war genauso schlimm wie Ron selbst.« Unfreiwillige Komik beherrscht der Computer also. Aber bis er eine Komödie, eine Satire, einen Cartoon zustande bringt – eine Fähigkeit, die auch fast alle Menschen überfordert? Selbst wenn er dereinst genug Weltwissen gespeichert hätte, fehlte ihm ja der Wille. »Bisher verspürte keine Maschine von sich aus den Drang, sich auszudrücken«, lautet Marcus du Sautoys Fazit. »Die Maschinen haben außer dem, was wir ihnen eingeben, nichts mitzuteilen. Sie sind Bauchrednerpuppen, die als Sprachrohr für unseren Mitteilungsdrang fungieren.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg