Humorkritik | November 2020

November 2020

Sich umbringen heißt ja auch, sich ernst nehmen – und das kann ich nicht.
Herbert Feuerstein (1937 – 2020)

Rauschige Huppert

Seit dem 8. Oktober läuft der Film »Eine Frau mit berauschenden Talenten« in den deutschen Kinos, eine Krimikomödie mit Isabelle Huppert als Drogenbaroness. An sich gefällt mir die Sache, der Witz geht nämlich auf Kosten der Polizei und des nicht unsympathischen, aber arg durchschnittlichen Polizeichefs Philippe, der seine Mitarbeiterin Patience (Huppert) gern erobern würde. Und es ist schon schön anzusehen, wie der Film zunächst offenbar zielsicher auf das Zusammenkommen der beiden hinsteuert. Allein der kurzzeitig erweckte Freiheits- und Kriminalitätsdrang von Patience steht dem Happy End im Weg – aber das wird sicher schon, denkt man anfangs, man kennt das ja aus hundert ähnlichen Filmen. Nur wird es eben nicht. Patience findet allzu große Freude daran, mithilfe ihrer Stellung als Polizeidolmetscherin und ihrer Arabischkenntnisse ins Drogengeschäft einzusteigen, was sich als lukrativer und ereignisreicher erweist als der öde, schlechtbezahlte Beamtendienst. So hält sie sich fortan nicht nur Philippe vom Leib, ihren Chef, Verehrer und Jäger zugleich, sondern auch die auf sie zurollende Katharsis, die solcherlei Selbstfindungskomödien ja oft für die Protagonisten bereithalten.

Das Drehbuch von Hannelore Cayre, die als Strafverteidigerin in Créteil in den südöstlichen Pariser Banlieues mit dem Drogenhandel und den darin verwickelten migrantischen Milieus bestens vertraut ist (und von der auch die Romanvorlage »Die Alte« stammt), setzt auf die Komik der Gegensätze, etwa wenn ein sehr großer, junger Bär von einem Drogendealer vor der verschwindend schmächtigen Patience kuscht, weil die eben den feinsten Stoff liefert, der zu haben ist. Auch die sich zusehends in den Vordergrund drängende, undurchsichtige und Leichen entsorgende Nachbarin Madame Fo ist eine sehr erfreuliche Figur. Uneingeschränkt loben will ich den Film aber nicht, denn er hat Schwächen. So ist zum Beispiel die vorgebliche Liebesbeziehung zu lieb- und leblos, als dass man sich davon lange auf eine falsche Fährte locken lassen würde. Auch sind die Charaktere oberflächlich, und der Film verliert sich in Nebenhandlungen, die keine plausible Geschichte ergeben. Das ist ein bisschen schade. Als netter Feelgood-Film geht »Eine Frau mit berauschenden Talenten« durch, viel mehr sollten Sie aber nicht erwarten.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt