Humorkritik | November 2020
November 2020
Sich umbringen heißt ja auch, sich ernst nehmen – und das kann ich nicht.
Herbert Feuerstein (1937 – 2020)

Gast in Pantoffeln
»Pferde sind glücklich in Deutschland«, notierte der amerikanische Romancier Thomas Wolfe gleich zu Beginn seiner letzten Deutschlandreise 1936. Nicht nur die Pferde: Schon im Jahr zuvor hatte Wolfe das Reich »voll von Uniformen und dem Stampfen marschierender Männer« gefunden, sah »Tausende von Gruppen, zahllose Divisionen von Menschen, angefangen von achtjährigen Kindern bis zu Männern um die fünfzig, erfüllt von Hoffnung, Enthusiasmus und Glauben an eine fatale und zerstörerische Sache«.
Thomas Wolfe, dessen Liebe zum Land seiner fernen Vorfahren beim ersten Besuch 1926 unerwartet aufgelodert war, war da schon nicht mehr glücklich, wie sein Tagebuch und seine Briefe, Postkarten und zu Erzählungen verfeinerten Impressionen bezeugen. Die hat der Manesse-Verlag kürzlich zu dem Buch »Eine Deutschlandreise« gebündelt, das vor allem Wolfe-Aficionados und Zeithistoriker zu ernster Lektüre und ebensolchem Studium einlädt. Aber manchmal dürfen sie den Ernst auch vergessen.
Wie Wolfe, der zuerst nur »Hunnenschädel« wahrnimmt, einem »Hunnenpförtner« begegnet und sich von einem »Hunnenchauffeur« kutschieren lässt – aber schon affiziert ihn die Sprache mit lustigen Wörtern wie »Bahnhofsplatzbauarbeitengesellschaftverein«. Die Landschaft, die Leute, sogar die Landleute (»Diese Bauern hatten das makellose Fleisch und die gesunden Zähne von Tieren«) machen ihm Spaß; bald eifert er der Fress- und Sauflust der Eingeborenen nach und überlebt sturzbetrunken sogar eine Schlägerei auf dem Oktoberfest. Schüchterner verhält er sich, als ihm 1928 in Frankfurt am Main ein ebenso schüchterner James Joyce über den Weg läuft; aber gemeinsam besuchen sie das Goethehaus, und »dann weckten die auf Hochglanz polierten Fußböden sein Interesse, und er schlitterte in seinen Pantoffeln selbstvergessen auf und ab«.
Auch Wolfe und Joyce waren einmal glücklich in Deutschland.