Humorkritik | März 2020
März 2020
Aber eine lustige Geschichte ist das nicht. Sie hat traurig angefangen und hört traurig auf.
Peter Bichsel, »Ein Tisch ist ein Tisch«
Friedrichs’ Verlierer-Komik
Es ist eine besondere Mischung aus Spleenigkeit, Komik und lakonischer Kritik an den Verhältnissen, die »Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen« textlich auszeichnet und die mir in dieser Dichte in der deutschsprachigen Musik noch nicht begegnet ist. Kopf der nach eigenem Bekunden »wahrscheinlich untätowiertesten Band der Welt« ist Carsten Friedrichs, der zuvor Frontmann von »Superpunk« war und als solcher ziemlich komische Lieder wie »Neue Zähne für mein’ Bruder und mich« schrieb und »Matula, hau’ mich raus«. Zeilen wie »Und ich trinke unter Stand / Und finde Theologie interessant« oder »Ich habe keinen Hass auf die Reichen / Ich möchte ihnen nur ein bisschen gleichen« brachten die Punkattitüde zum Ausdruck, wobei die musikalische Begleitung selten Punk war, sondern eher ein von Bernd Begemann attestierter »Powerpop«.
Mit der »Liga« macht der Northern-Soul-Fan Friedrichs weiterhin »soulful music« auf Deutsch und produziert Liedzeilen, die das Proletarische mit dem Intellektuellen verbinden (»Ich geh ja gleich, nur nicht sofort, ich les’ noch ein / bisschen Wolfgang Pohrt / Interessant, was steht denn dort? / Da steht, Arbeit sei ein Sechsbuchstabenwort!«). Der zugehörige Song ist eine gut mitgrölbare Kritik an der Fetischisierung der Lohnarbeit, referiert den Soul-Klassiker »Love is a Five Letter Word« mit seiner vulgärmaterialistischen Kritik am Konstrukt romantischer Liebe und schiebt als Pointe dem großen Pohrt eine überaus banale Einsicht unter.
Friedrichs’ Lieder erinnern konsequent an Verlierer oder wenigstens Außenseiter wie den Kölner Pfandflaschenbetrüger, den James-Dean-Copiloten Rolf Wütherich oder den besten Zechpreller der Welt. Auf der neuen Platte »Fuck Dance, Let’s Art« spielen ein pensionierter Spion, in dessen Agentenring sich ein Fallschirm und ein Knäckebrot befinden, sowie ein geschlossener Laden der Kette Matratzen-Concord (mit dem Beach-Boys-Refrain »Ma-ma-ma-Matratzenconcord«) eine Hauptrolle. Der Soulkracher »Der letzte große Bohemien« versucht auf charmante Art, den von Hartz IV Geknechteten ihre Würde zurückzugeben: »Agenda 20, Agenda 10 / Wenn wir zusammen am Jobcenter steh’n«. Und ein »Wir hatten Schnurrbärte, schon mit dreizehn / War seltsam, so in die Schule zu geh’n« im Song »Hässlich und faul« entwirft ein Gegenbild zu der momentan so oft anzutreffenden Verklärung einer 80er-Jahre-Jugend. Auch hier kommt – wie bei den meisten anderen Liedern – der wichtigste Kniff zum Einsatz, den die »Gentlemen« zu bieten haben: Heitere (gerne auch geklaute) Melodien stellen sich quer zum Text (»Mit den Rädern in den Volkspark gefahren / Fühlten uns als Gewinner, die wir nicht waren«) und erzeugen damit eine komische Text-Ton-Schere. Sehenswert sind auch die stümperhaft gespielten, aber liebevoll inszenierten Youtube-Videos, in denen die Liga oft (B-)Promis der Hamburger Musikszene für Statistenrollen einspannt.