Humorkritik | Januar 2020

Januar 2020

Vielleicht ist aber auch der Witzeerzähler im Tiefsten Ordnungsmensch, denn nur so kann er den Witz als etwas Außergewöhnliches begreifen, das die Norm überschreitet. Der Geistlose merkt nicht mal, wo die Norm wäre.
Ruedi Widmer

Filmische Politsatiren

Es gibt nicht allzu viele Spielfilme, die sich auf komische Weise mit Politik beschäftigen. Das hat eine simple Ursache: Das Genre ist heikel, und schwierig ist’s, die Balance zu halten, denn entweder die Politik kommt zu kurz oder die Komik. Auswege gibt es, meist durch die Wendung ins Groteske, meisterhaft vorgeführt von Stanley Kubrick in »Dr. Strangelove or: How I Learnt to Stop Worrying and Love the Bomb« und von Barry Levinson in »Wag the Dog«. Aus deutschen Versuchen heraus ragt Helmut Dietls »Schtonk«.

Die beste französische Politsatire heißt »Quai d’Orsay«, stammt von Bertrand Tavernier, ist aus dem Jahr 2013 und hat es bis jetzt bedauerlicherweise nicht in die deutschen Kinos geschafft. Nicht einmal auf gängigen Streamingdiensten ist sie verfügbar. Der Film spielt, wie sein Titel vermuten lässt, im französischen Außenministerium und erzählt zunächst die Geschichte eines frisch engagierten Redenschreibers. Er ist die normalste Figur in diesem Betrieb rund um den Außenminister, der im Gegensatz zu ihm ein Schaumschläger, Scharlatan und Schwätzer ist – und gleichzeitig hochsympathisch: Er vereint das Redetempo von James Cagney in Billy Wilders »Eins, zwei, drei« mit der eleganten Impertinenz von Cary Grant in Howard Hawks’ »His Girl Friday«. Im gleichnamigen Comic, der die Charaktere vorzeichnet, sieht er nicht halb so gut aus wie der Darsteller Thierry Lhermitte. Dass dieser aus der Comicfigur einen richtigen Menschen macht, darin liegt eine der Stärken des Films, denn bei aller Überzeichnung bleibt er ebenso glaubwürdig wie seine Untergebenen, die er durch seine undurchsichtige Willkür ununterbrochen auf Trab hält. Der Beifall, den der Minister am Ende für eine Rede vor dem Weltsicherheitsrat erhält, ist verdient.

Womöglich hätte Taverniers bislang letzter Film auch »Der Saustall« heißen können – wenn unter diesem Titel nicht schon ein älteres Meisterwerk dieses amerikanischsten unter den französischen Regisseuren bekannt wäre. Ich hoffe, dass wenigstens dieser Film jedem ein Begriff ist. Falls nicht, sei er hiermit als Hausaufgabe verschrieben.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg