Humorkritik | November 2019
November 2019
Ich komme nicht bewaffnet mit entscheidenden Wahrheiten. Mein Bewusstsein ist nicht von bedeutsamen Lichtblitzen durchzuckt. Gleichwohl meine ich, in aller Heiterkeit, dass es gut wäre, wenn einige Dinge gesagt würden.
Frantz Fanon
Nunc est iudicandum
Für ihren Humor sind die Römer nicht weltberühmt geworden. Sie verstanden sich auf Satire, in der sie ihren aggressiven, kriegerischen Geist literarisch auslebten, aber lauthals zu lachen gibt es bei Martial, Juvenal et al. nur ausnahmsweise; z. B. wenn der sonst als Liebeslehrer bekannte Ovid in Rage gerät und in einem Schmähgedicht eine Verwünschung an die andere reiht: »Eine Biene soll dir ins Auge stechen!«, »Man soll dich in einem Mörser zerstampfen!« usw.
Vieles ist also eher unfreiwillig komisch. So bei Plinius, der in seiner »Naturgeschichte« von Inselbewohnern der Ostsee fabuliert, die »ihre sonst nackten Körper mit ihren übergroßen Ohren ganz bedecken«; oder wenn ein medizinisches Handbuch des 3. Jahrhunderts bei Haarausfall empfiehlt, »frischen Hühnerkot« auf die Kopfhaut zu streichen, doch »wenn man sich mit heißen Getränken den Mund innen verbrannt hat, hilft Gurgeln mit Hundemilch«. Man muss in dem Büchlein »Nunc est ridendum« (Reclam) von Melanie Kattanek – Kattanek heißt auch der Verlagschef – schon suchen, um den im Untertitel verheißenen »Spaß mit Latein« zu finden. Statt bei römergemachter Komik kommt man mehr bei neuzeitlichen Späßen und Spielereien beflissener Lehrer und Schüler auf seine Kosten, einem Fußballquiz und einem Kreuzworträtsel vielleicht oder Übersetzungsfehlern, etwa »index librorum prohibitorum« als »das Verzeichnis der unehelichen Kinder«, und »genus humanum« bedeutet »das menschliche Knie«. Schön und gut, aber ist das wirklich ridendum, muss man lachen?
Witziger ist die Anekdote vom Schüler, der den Satz »Cicero et Demosthenes sunt duo clari oratores« (Cicero und Demosthenes sind zwei berühmte Redner) übersetzen soll. Er schlägt im Lexikon nach und findet bei beiden Namen die Erklärung: »ein berühmter Redner«. Er übersetzt also: »Ein berühmter Redner und noch ein berühmter Redner sind zwei berühmte Redner.«
Diese Anekdote aber steht nicht bei Melanie Kattanek, sondern bei Hans Weis. Der bemühte sich schon vor 70 bis 80 Jahren mit drei Bändchen »Lateinische Sprachspielereien« (»Jocosa« 1938, »Curiosa« 1939, »Bella bulla« 1951), lustiges Latein zu demonstrieren, getreu seinem Satz: »Mit dem Lateinischen kann man spielen wie mit einer jungen Katze.« Tempi passati, dachte sich Kattanek wohl und erwähnt keines in ihren Lesehinweisen. Also tut’s Hans Mentz.