Humorkritik | November 2019

November 2019

Ich komme nicht bewaffnet mit entscheidenden Wahrheiten. Mein Bewusstsein ist nicht von bedeutsamen Lichtblitzen durchzuckt. Gleichwohl meine ich, in aller Heiterkeit, dass es gut wäre, wenn einige Dinge gesagt würden.
Frantz Fanon

Talken ohne Grenzen

Hoffentlich noch lange lebt Kurt Krömer, der eben die ca. achtundneunzigste Neuauflage seiner Sendung wegmoderiert hat und zeigt, wie es geht (diesmal unter dem Titel »Chez Krömer«, vier Folgen, auch auf Youtube). Und zugleich, wie es nicht geht: Ein echtes, wahrhaftiges Gespräch, unter dem sich Oliver Weber vermutlich so etwas wie »Der Internationale Frühschoppen« vorstellt, ist von Krömer nicht zu haben, er lässt seine Gäste nicht ausreden, verstört sie vielmehr, unterbricht ihren Rhythmus (»War das jetzt der Versuch, hier witzig zu sein?«) und konfrontiert sie mit Szenen, die ihnen in anderen Sendungen wahrscheinlich erspart geblieben wären, so etwa Philipp Amthor mit dem Mitschnitt einer Wahlkampfveranstaltung, auf der dieser laut über die »Ölaugen« Mesut Özils lacht. So entstehen Momente, in denen Spontaneität und Erkenntnis durchblitzen – etwa wenn jener Amthor auf die Frage »Würdest du auf Flüchtlinge schießen? Würdest du schon, wa?« mit »Was ist denn das für ein Wording?« antwortet.

Krömer nutzt seine Gäste nicht bloß als Requisiten, die mit bestimmten Stichworten zu aktivieren sind und dann ihren Text aufsagen; er nimmt sie ernst, geht dem nach, was sie erzählen. Zum Beispiel, wenn er »Motivationstrainer« Jürgen Höller danach fragt, was für »Erfolge« dessen Kunden denn zu verzeichnen hätten, und von einem »Christian Gschwendner« mit einer Busfirma erfährt: »Der repariert Busse«, präzisiert Krömer, »und war vorher nicht in der Lage, Busse zu reparieren, ist dann zu Ihnen gegangen und kann jetzt Busse reparieren?« – »Brauchen Sie mich noch zum Antworten?« fragt der entnervte Höller irgendwann zwischen lauter Unterbrechungen.

Aufschlussreich der Vergleich mit den anderen beiden Folgen, in denen Gäste kommen, die Krömer – mag. Denn das ist ja auch so eine Geisteskrankheit hauptamtlicher Interviewer: zu glauben, neutral auftreten zu können, selbst beim geplanten Ausagieren unerträglichster Emotionswallungen noch irgendwie die Allgemeinheit zu repräsentieren. Krömer hingegen lässt seiner Sym- und Antipathie freien Lauf, und so kommt mit dem Juso-Chef Kühnert, der sich darauf einlässt und nicht nur versucht, Satzbausteine hinzulegen, ein anderes Gespräch zustande: »Wie wohnen Sie eigentlich?« – »Zur Miete.« – »WG?« – »Ja.« – »Ach.« – »Oh!« – »Kreuzberg?« – »Nee, Schöneberg!« – »Schöneberg? Und wat zahlen Sie da … haben Sie’n Zimmer?« – »Na ja, Küche wär’ blöd zum Schlafen.« Schade, dass diese Intimität in der letzten Folge mit Handballer Stefan Kretzschmar, mit dem Krömer befreundet ist, so oft ins Homophobe umschlägt, weil beide nur noch über ihre »Bromance« witzeln.

Aber selbst bei der Drahtbürste der Nation kann ja mal was daneben gehen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster