Humorkritik | November 2019
November 2019
Ich komme nicht bewaffnet mit entscheidenden Wahrheiten. Mein Bewusstsein ist nicht von bedeutsamen Lichtblitzen durchzuckt. Gleichwohl meine ich, in aller Heiterkeit, dass es gut wäre, wenn einige Dinge gesagt würden.
Frantz Fanon
Oesterles Kamellen
Neulich fiel mir ein 1971 veröffentlichter Sammelband mit Werken des Cartoonisten Manfred Oesterle in die Hände: »Zwischen Scherz und Schock«. Oesterle, 1928–2010, gehörte von 1955 bis 1967 der Redaktion des neugegründeten Simplicissimus an, belieferte auch zahlreiche andere Printmedien und trat im Fernsehen als Schnellzeichner auf. Im Klappentext des Buches heißt es, Oesterles Bilder würden zu einer »genüsslichen Betrachtung anreizen«. Ein Urteil, dem ich mich leider nicht anschließen kann, denn Oesterles Witze sind alle so schal wie die folgenden beiden: Eine Dame steht vorm Kasernenhof, und ein Offizier sagt zum andern, dass das öffentliche Interesse an der Bundeswehr erfreulich zu wachsen scheine, denn das sei »schon die zweite in diesem Jahr«; ein Hippie krault sich den Bart und jammert: »Was ist das bloß für ein Haushalt hier – Haschisch ist schon wieder alle!« Gähn. Hinzu kommt, dass viele der Zeichnungen scheußlich aussehen und eine Welt karikieren, die es nie gab. Oder hat man im Werbefernsehen jemals ein Model erblickt, das so ausgesehen hätte wie die Dame auf Abbildung 1? Wenn Ihre Neugier jetzt noch nicht befriedigt sein sollte, können Sie anhand von Abbildung 2 überprüfen, was Oesterle zur »Sexwelle« eingefallen ist.
Abb. 1
Abb. 2
Es graust der Sau. Und ich habe diesen traurigen Fall hier auch nur kurz aufgerollt, um jüngeren Lesern einen Eindruck davon zu vermitteln, wie der durchschnittliche Witzblatthumor außerhalb der Neuen Frankfurter Schule in der alten Bundesrepublik beschaffen war. Die Beispiele ließen sich unendlich vermehren, aber ich glaube, es reicht schon.