Humorkritik | November 2019
November 2019
Ich komme nicht bewaffnet mit entscheidenden Wahrheiten. Mein Bewusstsein ist nicht von bedeutsamen Lichtblitzen durchzuckt. Gleichwohl meine ich, in aller Heiterkeit, dass es gut wäre, wenn einige Dinge gesagt würden.
Frantz Fanon
Humordkritik
Der »Joker«, aktuell im Kino, ist zwar nicht lustig, betätigt sich aber gewissermaßen als Humorkritiker: Während sich darin nämlich der Joker alias Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) anfangs noch vergebens, weil talentlos, als Comedian versucht, reift in ihm die Meinung, Comedy und Satire seien Bestandteile eines zynischen und korrupten Establishments, das Leuten wie ihm, Fleck, das Leben schwermache. Besonders sein großes, als Vaterfigur erkorenes Vorbild, der arrogante Late-Night-Host Murray Franklin (Robert De Niro), wird ihm zum Symbol für die verkommenen Verhältnisse, handelt es sich bei ihm doch um jemanden, der mit seinem komischen Talent Menschen bloßstellt, die sich nicht wehren können, darunter auch Arthur Fleck selbst.
Kritik an Comedians, die nach unten treten, mag ihre Berechtigung haben. Allerdings lenkt der Film in der Darstellung der Beziehung Fleck-Franklin die Zuschauersympathie allzu deutlich in Richtung der Joker-Figur und geht ihr damit auf den Leim. »Ihr entscheidet, was Gut und Böse ist«, sagt Fleck einmal, »auf genau die Art, auf die ihr entscheidet, was lustig ist und was nicht«; als sei es eine rein rationale, ja ethische Entscheidung, etwas lustig zu finden. Zur lachhaften Veranstaltung wird hier die schlechte Welt insgesamt – vor dem Hintergrund eines höheren Rechts, das aber nur in einem nihilistischen Rächer-Prinzip vorgestellt wird.
Am Ende von Flecks Selbstermächtigung steht der Mord an Franklin, dem King of Comedy. Der Lächerlichmacher muss sterben, damit der lächerlich Gemachte an seine Stelle treten kann. Dabei kann sich der Film an seinem zwanghaft lachenden Clown-Killer nicht sattsehen und inszeniert ihn als sich im Akt des Tötens über die Dekadenz der Verhältnisse erhebende Ikone, oder anders gesagt: als Individualfaschisten, der aber bitte nicht als solcher benannt und erkannt werden soll. Außer, naturgemäß, von mir.