Humorkritik | März 2019

März 2019

Unlängst in Zeitungs Kulturtheil
Las ich ein slowenisches Gedicht
Des Kollegen Slowo Wenja
(Alle beide kannte ich nicht)

Das Gedicht war keins über die Flora
Und auch die Fauna kam kaum drin vor
Und es paßte weder ins tragische
Noch ins Humorressort

Horst Tomayer

Der Mythos vom komischen Kafka

Dass es sich beim rätselhaften Franz Kafka um einen auch sehr komischen Autor handelt, ist schon lange ein Allgemeinplatz. Philip Roth hat es gewusst, Kafka selbst hat es gewusst, ich weiß es (was meine Würdigung von Astrid Dehes und Achim Engstlers schönem Buch »Kafkas komische Seiten«, TITANIC 2/2012, belegt), und der Ex-Verleger und Immer-noch-Kafka-Aficionado Klaus Wagenbach sollte es auch wissen. Wie sonst könnte er ein Büchlein vorlegen, das den Titel »Franz Kafka: Ein Käfig ging einen Vogel suchen. Komisches und Groteskes« trägt und in der Einleitung ein Wagenbachsches Bekenntnis transportiert: »Mein Herz gehört dem kritischen Beobachter, der einen Sinn für die tiefere Komik der Dinge hat. Diese Komik steht im Hintergrund vieler seiner Texte, und wer sich vom Mythos des dunklen Kafka nicht bange machen lässt, wird den irdisch-heiteren entdecken« (S. 12). Und zwar schon auf den Seiten 13ff., nämlich in dem berühmten, auch bei Dehe/Engstler berücksichtigten Brief Kafkas an seine zweifache Ver- und Entlobte Felice, mittels dessen er deren Unterstellung, er könne nicht lachen, mit einer Anekdote zu entkräften sucht, in der er berichtet, wie er im Rahmen einer Beförderungsfeier in seiner Versicherungsanstalt während der Ansprache des Chefs einen unkontrollierbaren Lachanfall erlitt. Kein frohes Lachen also, sondern ein zwanghaft-peinliches. Es beweist nicht, dass Kafka ein irdisch-heiterer Vogel war, illustriert jedoch mustergültig sein ab-, wenn nicht gar hintergründiges Verhältnis zur Komik und sein, nun ja: kafkaeskes Genie für vertrackte Texte.

Von denen finden sich auch ein paar in Wagenbachs Zusammenstellung, zum Beispiel Miniaturen wie »Ein Kommentar«, worin der Erzähler einen Schutzmann nach dem Weg zum Bahnhof fragt, ohne die erwünschte Auskunft zu erhalten: »›Gibs auf, gibs auf‹, sagte er und wandte sich mit großem Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen«. Oder sonderbare Begebenheiten: »Auf der Treppe traf ich einen Mieter aus dem gleichen Stockwerk. ›Sie gehen schon wieder weg, Sie Lump?‹ fragte er, auf seinen über zwei Stufen ausgebreiteten Beinen ausruhend. ›Was soll ich machen?‹ sagte ich, ›jetzt habe ich ein Gespenst im Zimmer gehabt.‹ ›Sie sagen das mit der gleichen Unzufriedenheit, wie wenn Sie ein Haar in der Suppe gefunden hätten.‹« Mehrheitlich jedoch wählt Wagenbach Prosa aus, die demonstriert, dass sich über Komik tatsächlich streiten lässt. Den untröstlichen »Bericht für eine Akademie« oder die berühmte Geschichte jener Maus, die nur die Laufrichtung ändern muss, um unvermeidlich von der Katze gefressen zu werden, komisch zu finden, dazu muss man den Witz schon so tief im Dickicht der Texte suchen, dass ich ihn mit freiem Auge nicht erkennen kann. Ein Humorkritiker ging einen komischen Kafka suchen: bei Klaus Wagenbach hat er ihn nicht gefunden. Vielleicht aber wollte der mit seinem Lachen einfach nur mal ein bisschen allein sein?

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg