Humorkritik | Juni 2018
Juni 2018
Gravitätischer Ernst ist recht eigentlich das Wesen des Betrugs und der Heuchelei. Er läßt uns nicht nur andere Dinge mißverstehen, sondern ist fast stets in Gefahr, sich selbst zu verfehlen.
Anthony Ashley-Cooper, 3. Earl of Shaftesbury
Schwer erträglich
Der vor einigen Tagen in den Kinos angelaufene, als romantische Komödie angekündigte Film »I Feel Pretty« lebt von einer einzigen, reichlich dünnen Idee: Renee, eine junge, etwas mollige Frau in den Dreißigern, gespielt von der US-Comedienne Amy Schumer, findet sich häßlich und hadert mit ihren überzähligen Kilos – bis sie in einem Fitnessstudio, tolpatschig, wie sie als »dicke Frau« natürlich zu sein hat, vom Fahrradtrainer fällt und mit dem Kopf auf den Boden knallt. Fürderhin sieht sie im Spiegel nicht mehr sich selbst, sondern ein atemberaubend schönes Glamourgirl mit Modelmaßen.
Und macht mit ihrem neu gewonnenen Selbstbewußtsein ordentlich Karriere: Sie bewirbt sich bei ihrem Arbeitgeber, dem New Yorker Kosmetikunternehmen LeClaire, bei dem sie sich bis dahin in einem schäbigen Keller um die Webseite kümmern durfte, um die Stelle der Rezeptionistin – einen Job, der im pompösen Firmenhauptsitz als »das Gesicht von LeClaire« gilt. Prompt bekommt sie die Stelle und wird bald eine Art Beraterin der Geschäftsleiterin Avery LeClaire (Michelle Williams). Und auch privat läuft es plötzlich gut. Mit gesundem Selbstvertrauen, so die Botschaft, kann also sogar eine Dicke in einem Kosmetikunternehmen Karriere machen. Gesellschaftliche Strukturen spielen in diesem Film keine Rolle, ebensowenig der Umstand, daß weibliche Idealbilder unter kapitalistischen Verhältnissen eine Funktion haben und daher Befreiung und Selbstermächtigung gegen harte gesellschaftliche Widerstände erkämpft werden müssen. Renee hingegen rennt überall offene Türen ein.
In den besten Momenten kommt dabei so etwas wie Situationskomik zustande, etwa wenn Renee ihre Freundinnen trifft und ihnen die Münder zuhält, damit diese nicht zu schreien beginnen: »Ich weiß, ihr erkennt mich nicht wieder, aber ich bin es wirklich – Renee!« Das ganze Verwechslungsspielchen endet schließlich wenig überraschend damit, daß die Protagonistin sich den Kopf erneut stößt und sich wieder so wahrnimmt, wie sie ist. In einem arg konstruierten Finale, in dem sie vor großem Publikum eine moralische Ansprache hält, verkündet sie schließlich, eine Firma wie LeClaire müsse für alle Frauen da sein. Und alles bricht in Jubel aus.
Ich war an dieser Stelle schon an der Kinotür.