Humorkritik | April 2017

April 2017

Humor kann man nicht lernen. Das ist wie beim Jazz, ein innerer Takt. Man hat ihn oder man hat ihn nicht.
Guy Bedos

Friedhof der Kuriositäten

Allerlei kann ein aufmerksamer Beobachter in Wien entdecken: zum Exempel die »Indolenz, die Frivolität, die Gemeinheit, die sittliche Verkommenheit, die namenlose Bubenhaftigkeit, den Lustfrevel, die Zotengier, den Schmutzfanatismus, den Bildungshaß, die verstockte, verluderte, sich selbst bejahende absolute Lumpenhaftigkeit«. Diese Wien-Wutrede stammt vom gebürtigen Wiener Ferdinand Kürnberger (1821-1879) und nicht, wie mancher vermutet haben mag, vom nicht in Wien geborenen Thomas Bernhard (1931-1989). Was der über Wien gesagt hat, nimmt sich vergleichsweise karg aus: »Ein riesiger Friedhof zerbröckelnder und vermodernder Kuriositäten«, »eine fürchterliche Genievernichtungsmaschine« voller »Infamien, Niederträchtigkeiten, Verlogenheiten«. Was mich an dieser Wien-Watsche im speziellen und an allen nunmehr in einem Bändchen versammelten weiteren Bernhardschen »Städtebeschimpfungen« (Suhrkamp) ein wenig enttäuscht, ist ihre Austauschbarkeit, ihr Mangel an Originalität und Komik. In Altaussee ist »alles muffig und vermodert«, Bad Ischl ist »widerwärtig«, Bremen »eine kleinbürgerliche unzumutbar sterile Stadt«, in Chur wie überhaupt in der Schweiz herrscht »Hochgebirgsstumpfsinn«. Frankfurt geht immerhin halbwegs ambivalent als »eine permanente herrliche häßliche schöne Schöpfung« durch, während andere Orte in Vernichtungssuperlativen geschmäht werden: »Die abstoßendste und die durch und durch häßlichste österreichische Stadt« ist (u.a.) Linz, »in Lübeck stinkt es am mitleidslosesten« (gibt es anderswo Gestank, der zu Mitleid fähig wäre?). Bei Stockholm handelt es sich einfach nur um »eine öde Stadt«, bei Paris um »eine verstaubte Wüste« (wohingegen übrigens das Wiener Burgtheater als »das staubigste in ganz Europa« gelten muß). Passau: »eine vor Hilflosigkeit und Häßlichkeit und widerwärtiger Plumpheit strotzende Stadt«, Salzburg: »ein stumpfsinniges Provinznest mit dummen Menschen und kalten Mauern« sowie aber auch eine »einzige Architekturscheußlichkeit«. Wohingegen von Trier nur knapp zu resümieren bleibt: »Man geht nicht ungestraft« dorthin. Zumindest zeithistorisch interessant ist die Dokumentation jener erregten Reaktionen, die Bernhard auslöste, als er Augsburg als »Lechkloake« titulierte.

Handelt es sich am Ende bei all den Haß-, Häßlichkeits- und Staub-Invektiven des Thomas Bernhard nur um eine »Art von spezifisch österreichischem Allürentheater«, wie es der Nicht-Österreicher Peter Rühmkorf (nachzulesen im vergnüglichen Reclamheft »Rühmkorf zum Vergnügen«) als Bernhard-Lektüre summiert? War Bernhard gar lediglich der »monologisch-lyrisches Gewinsel« absondernde »dumpfe, schwermäulige Wurzelsepp«, als welchen ihn der Wiener Hermann Hakel (1911-1987) in die polemische Pfanne gehauen hat? Lohnt es sich, eine Sammlung mit »Bernhardbeschimpfungen« zusammenzustellen, die ich dann an dieser Stelle meinerseits beschimpfen oder aber vielleicht auch belobigen würde? Ans Werk, Interessierte!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.11.2023 Stuttgart, Theaterhaus Max Goldt
30.11.2023 Erfurt, Franz Mehlhose Max Goldt
30.11.2023 Friedrichsdorf, Forum Friedrichsdorf Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer