Humorkritik | April 2017
April 2017
Humor kann man nicht lernen. Das ist wie beim Jazz, ein innerer Takt. Man hat ihn oder man hat ihn nicht.
Guy Bedos
Gemütlichkeit, o mei!
Der aktuelle Oberbürgermeister von München heißt, das weiß selbst in der bayrischen Landeshauptstadt kaum jemand, Dieter Reiter (SPD). Sein Vorgänger und Genosse Christian Ude ist hingegen selbst unter Preußen halbwegs bekannt, weshalb es vom Verlag Kunstmann nun die Doppel-CD »Öha! Und andere Geständnisse« zu erwerben gibt; ein Mitschnitt eines Kabarettprogramms, das Ude 2016 im Münchner »Heppel & Ettlich«-Theater spielte. Da einer, der volle 21 Jahre OB einer Millionenstadt war, einige Geschichten zu erzählen haben dürfte und im Booklet die »Kollegen« Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt zitiert werden, gab ich der Sache eine Chance.
Im Programm wechseln sich von Ude vorgetragene Anekdoten mit Liedern von Uli Bauer, Udes »Nockherberg«-Double, ab. Knapp gesagt: Die Gesangseinlagen sind eine Katastrophe, musikalisch wie textlich. Umgeschriebene Versionen von »Only You« und »Hello again«, Zeilen wie »Ude, Ude, Ude ist tiptop«, »In meiner Ude-Bude hier, da gibt es nicht nur Bier« – es ist ein echter Graus. Lieber schnell zu Udes G’schichten! Die er im typischen Ude-Duktus vorträgt: jedes Wort außerordentlich korrekt und übertrieben betont, bloß keine Variation im Tempo, es plätschert rhythmisch aus ihm heraus. Ude hört sich an wie der Biergarten-Besucher in Gerhard Polts Bühnennummer »Gemütlichkeit« (CD: »Attacke auf Geistesmensch«), nur eben nicht über sieben Minuten, sondern andauernd und immer, in zig Stücken, die meist über eine Viertelstunde lang sind. Und das ist das nächste Problem: Es passiert in diesen zähen Minuten überhaupt nichts von Interesse. Ob Ude aus seiner Schulzeit berichtet, vom Wahlkampf für seinen Vorgänger Kronawitter oder aus seiner Zeit als Oberbürgermeister – nicht mal das depperte Münchner Kabarettpublikum (ja, deppert, glauben Sie es mir einfach, verehrte Leser) findet’s besonders fesselnd oder unterhaltsam, meldet sich nur alle paar Minuten zögerlich auflachend: Erst droht eine SPD-Veranstaltung »ein Riesenreinfall« zu werden, dann haben die Grünen »eine saublöde Idee«, mal arbeitet Ude nachts im Rathaus und wird in Unterhose vom Nachtwächter gestellt, mal darf er bei einem TV-Auftritt keinesfalls in »Naddels Dekolleté« gucken, schließlich wird es bei Udes erstem »O’zapft is« auf dem Oktoberfest zum »Riesenproblem«, daß er das Faß mit links anschlagen muß. Es passiert einfach nichts Skandalöses, ja nicht mal etwas besonders Kurioses. Ach, dachte ich zwischendurch, wäre Ude doch wenigstens CSUler! Der Schwabinger Sozialdemokrat hört sich, ich erwähnte es bereits, wie eine Polt-Figur an – aber wo bei Polt alles »Fast wia im richtigen Leben« war, ist bei Ude halt leider alles haargenau wia im richtigen Leben. Nämlich nicht »Öha!«, sondern, o mei!, sehr, sehr fad!