Humorkritik | Juli 2016
Juli 2016
»Humor ist ein guter Stoßdämpfer, wenn es im Leben kracht.«
Phil Bosmans SMM
Kopfsache (1)
»Sick in the Head« – der Titel dieser Sammlung von Unterhaltungen über Unterhaltung, erschienen 2015 bei Random House, New York, ist keineswegs Programm. Der Autor Judd Apatow hat im Lauf der letzten 33 Jahre knapp vierzig Interviews mit Amerikanern geführt, die Komisches produzieren. Judd Apatow ist selbst einer, als Autor, Regisseur und /oder Produzent hat er weit über zwei Dutzend Komödien zu verantworten und dabei mit bekannten Komikern meist erfolgreich zusammengearbeitet: von Jim Carrey (»Cable Guy – die Nervensäge«, 1996) bis Amy Schumer (»Trainwreck – Dating Queen«, 2015).
Ich mochte die wenigsten davon, die meisten schienen mir auf angestrengte Weise prätentiös. Mein Eindruck war stets, daß hier jemand möglichst seriöse Themen mit möglichst vulgären Witzen garniert bzw. die flachsten Späße durch scheinbaren Tiefsinn rechtfertigen möchte. (Diese Form pseudoexistentialistischer Komik funktioniert übrigens auch in Deutschland, Til Schweigers »Honig im Kopf« ist ein Beispiel.)
Laut Newsweek hat Apatow nun also eine Art »Bibel« für Stand-up-Süchtige geschrieben – was den Umfang betrifft, stimmt das. Auf knapp 500 Seiten lernen wir einiges über die amerikanische Komiktradition, ihre festen Gebote, strengen Maßstäbe und eng abgesteckten Karrierewege: Anfänge in Clubs, Gastspiele an Colleges, Auftritte im Fernsehen, »Saturday Night Live«, David Letterman, Hauptrollen in Spielfilmen; das Gewerbe wird von der Pike auf erlernt und erlebt. Wir erfahren jede Menge über den Autor, über seine Interviewpartner bisweilen weniger, je nachdem wie sehr sie sich auf Apatows biographische Interessen einlassen. Er ist von klein auf – seine ersten Interviews hat er als Schüler geführt – ein Fan, der alles aufsaugt, was komisch gemeint ist. Die beste Voraussetzung für kritische Interviews ist das nicht. Apatow ist so voller Bewunderung für jeden seiner Gesprächspartner, daß die erheblichen Unterschiede, was Talent und Kompetenz der Befragten betrifft, in seinen Vorstellungstexten und Fragestellungen zunächst untergehen. In den Antworten werden sie um so deutlicher.
Wer Judd Apatows Besessenheit nicht teilt, sollte also auswählen. Ich empfehle vor allem die Gespräche mit jenen, die sich von seinem Verehrungsfuror nicht beeindrucken lassen. Was Comedians wie Chris Rock und Jay Leno oder Regisseure wie Mike Nichols (»The Graduate«) und Harold Ramis (»Groundhog Day«) zu sagen und zu erzählen haben, hat wiederum mich beindruckt. Generell gilt für die Lektüre, was Jerry Seinfeld über die Produktion und Präsentation komischer Sachen zusammengefaßt hat: Es gibt nur eine Methode, »trial and error«.