Humorkritik | Juli 2016

Juli 2016

»Humor ist ein guter Stoßdämpfer, wenn es im Leben kracht.«
Phil Bosmans SMM

A lawyer you can trust

Ich hatte ja an dieser Stelle bereits meine skeptische Vorfreude auf den »Breaking Bad«- Ableger »Better Call Saul« zum Ausdruck gebracht, ein Prequel, in dem die Entwicklung des Anwalts James McGill (Bob Odenkirk) erzählt wird, bevor er als »Saul Goodman« den bekannten Methkoch Walter White trifft. Die Vorfreude war berechtigt. Denn ich kann über Odenkirks McGill, der in der Serie meist Jimmy genannt wird, auch lachen, wenn er einfach nur dasteht. Er braucht keine gewitzten Dialoge, um die inneren Konflikte der Figur lakonisch-komisch sichtbar zu machen, wie z.B. sein Ringen um Seriosität noch in den absurdesten Situationen. Gerade hat er den Karrieresprung vom überaus erfolgreichen Trickbetrüger »Slippin Jimmy« zum rechtschaffenen Anwalt ohne Aufträge vollzogen, dessen Büro (mit hochklappbarer Schlafcouch) sich im Abstellraum eines asiatischen Beauty-Salons befindet. Dieses Kosmetikstudio ist dem »Breaking Bad«-Zuschauer bereits vertraut. Vieles andere auch: So wird die Vorgeschichte von Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) gezeigt, dem sympathischen späteren »Sicherheitsbeauftragten« des Drogenbosses Gustavo Frings. Ehrmantraut-Banks setzt emotionale Regungen noch spärlicher ein als Odenkirk und spielt, wenn er nicht gerade mit einem Scharfschützengewehr in der Wüste lauert oder allein mit sämtlichen Gangstern des Kartells verhandelt, einen wortkargen Parkplatzwächter, an dem keiner vorbeikommt, der nicht genügend Plaketten hat. Auch ihn kann ich mit Freude minutenlang beim Nichtstun beobachten.

Zudem zerstreute diese Konstellation meine Bedenken hinsichtlich der Spannung, die einer bloßen Anwaltssaga abgehen könnte. Denn sie verweist geschickt auf das kommende Drama, das wir aus »Breaking Bad« kennen, und bedient sich dessen lustigerer Figuren: etwa des völlig durchgedrehten Drogendealers Tuco (Raymond Cruz). Vor allem Odenkirk als Anwalt trägt aber die Komik der Serie, allein schon durch seine übertrieben pathetischen Werbespots (»A lawyer you can trust«), die er ohne Drehgenehmigung mit unmotivierten Filmstudenten produziert. Auch die Sequenzen mit Kim Wexler (Rhea Seehorn), einer Anwaltskollegin, mit der Jimmy mehr verbindet als nur der Beruf, sind großartig. Von ihr erhält er einen XXL-Kaffeebecher mit der Aufschrift »Worlds 2nd best Lawyer«, den er fortan mit Gewalt in den Getränkehalter seines Dienstwagens zu rammen versucht.

Etwas später in der Handlung hat sich Jimmy auf Seniorenrecht spezialisiert und zieht beim Bingonachmittag in einem Altenheim die Nummern: »Lucky B6! Like the vitamin wich you should be taking. Keep things moving in the old GI tract!« In einem strahlend weißen Anzug vor Wänden voller Glitter, neben einer völlig gelangweilten Assistentin, sorgt er dafür, daß nicht nur kein Auge trocken bleibt. Solche Szenen sollten zum Pflichtlernprogramm für nervige Klinikclowns werden.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Katsching, Todd Boehly!

Sie haben sich von Ihrem sauer Errafften den englischen Fußballverein FC Chelsea angelacht, der Titel holen soll, allerdings unter Ihrer Leitung lediglich einen einstelligen Tabellenplatz im nationalen Wettbewerb vorzuweisen hat. Zur Generalüberholung der in der Mittelmäßigkeit versackten Blauhemden sind auf Ihr Geheiß für über eine Milliarde Euro insgesamt 39 Fußballer verpflichtet worden, womit der aktuelle Kader mindestens 44 Spieler umfasst (darunter zehn Torhüter, von denen laut derzeit gültigem Regelwerk leider trotzdem nur einer das Tor hüten darf).

Zu dem über Ihrer Truppe ausgekübelten Spott tragen wir allerdings nicht bei, aus unserem Mund also keine Mutmaßungen über beengte Verhältnisse unter der Dusche oder die vollen Körbe am Trikotwaschtag. Denn selbstverständlich wird ein ausgebufftes Finanzgenie wie Sie, Boehly, seine Gründe haben, viermal elf Freunde mit Verträgen, die zum Teil bis ins nächste Jahrzehnt laufen, auszustatten. Denn wissen wir nicht alle, dass in diesen unsicheren Zeiten das Geld auf der Bank am besten aufgehoben ist?

Guckt eh lieber von der Tribüne aus zu: Titanic

 Really, Winona Ryder?

Really, Winona Ryder?

In einem Interview mit der Los Angeles Times monierten Sie, dass einige Ihrer jungen Schauspielerkolleg/innen sich zu wenig für Filme interessierten. Das Erste, was sie wissen wollten, sei, wie lange der Film dauere.

Wer hätte gedacht, Ryder, dass Sie als Kind aus der Glanzzeit des Fernsehkonsums einmal die Nase rümpfen würden, weil junge Menschen möglichst wenig vor der Glotze sitzen und sich stattdessen lieber bewegen wollen? Davon abgesehen: Sind Sie sicher, dass sich die Abneigung gegen Cineastisches und das Verlangen, bereits beim Vorspann die Flucht zu ergreifen, nicht nur auf Werke beziehen, in denen Sie mitspielen?

Fragt sich Ihre Filmconnaisseuse Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
09.10.2024 Lorsch, Theater Sapperlott Max Goldt
11.10.2024 Coesfeld, Stadtbücherei Gerhard Henschel
12.10.2024 Bad Lauchstädt, Goethe Theater Max Goldt
12.10.2024 Freiburg, Vorderhaus Thomas Gsella