Humorkritik | Juni 2015

Juni 2015

»Ich kann euch auf der Stelle jede Menge Briten ohne einen Funken Humor zeigen.«
Eddie Izzard

Ein Erfolgsrezept

Daß auch aus Kindern aus Problemfamilien etwas Vernünftiges werden kann, dafür steht u.a. Johannes von Weizsäcker. Der Großneffe eines toten Ex-Bundespräsidenten ist mit seinem Projekt »Erfolg« auf deutschen Bühnen und Plattentellern präsent. Von Weizsäcker hat ein Gespür für sehr gute musikalische Arrangements und gelungene Melodieführung, aber eben auch – und deswegen hieve ich ihn nur zu gern in diese Rubrik – für gewitzte Texte. Allerhand gelingt ihm in seinem Konzeptalbum, von einer Persiflage auf diverse Motivationsklassiker bis hin zur aktuellen Aussteigerhymne: »Ich nenn mich Erfolg, dann hab ich immer Erfolg in meinem Leben … Bitte gib nicht auf / wirf dich bitte nicht von der Klippe, glaub an Erfolg, glaub an Erfolg« – so beginnt der Titelsong, dessen Refrain so schmerzlich in der Seele vibriert, weil in den Strophen zwischendrin alles aufgezählt wird, was man sich heutzutage gemäß bürgerlichem Knigge schönzureden hat: »Vor leeren Hallen, in der Ruine meines Lebens – ich glaub an Erfolg!« Das Album strotzt vor wunderbaren Gestalten wie dem »Klaviermann«, dem »Mausmann« oder – jetzt schon ein urbaner Klassiker – dem »Brillenmann«, dessen Existenz aufgesplittert ist in zehn äußerlich identische Varianten seiner selbst. Diese vertreten sich gegenseitig in den diversen Berliner Szeneclubs: »Brillenmann C sagt zu Brillenmann A: ›Ins Berghain mußt du nicht, denn F ist schon da‹ / Darauf A zu C: ›Na das war ja klar, F gehört dort ja schon fast zum Mobiliar!‹« Begleitet wird von Weizsäcker bei all diesen Ausflügen vom »besten Damenchor aller Zeiten«, in dem auch ein vollbärtiger Cis-Mann mitsingen darf, und auch eine fast kirchlich wirkende Orgel kommt häufig zum Einsatz.

Nur ganz selten haut von Weizsäcker mal daneben und liefert müden Witz (»Ich zum Beispiel sage ›Hallo‹, doch mein ich das selten so«). Am Ende des Albums lockt der Konsenssong des Jahres – für alle, die des permanenten Erfolghabenmüssens überdrüssig sind: »Einst ging ich in diesen Ort hinein, nun geh ich aus ihm heraus / Das Sich-einander-Definieren, ich halt es nicht mehr aus / Das positive Sektchentrinken, ich halt es nicht mehr aus!« O herrliche Erhabenheit des Nichteinverstandenseins!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
10.12.2023 Kassel, Bali-Kino/Kulturbahnhof Gerhard Henschel
10.12.2023 Frankfurt, Elfer Ella Carina Werner
11.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
12.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige