Humorkritik | August 2014

August 2014

The Rest of Monty Python

Die Euphorie, die im vergangenen Jahr die Nachricht von der Reunion Monty Pythons für eine letzte gemeinsame Show auslöste, dürfte nur noch von der eines ABBA-Comebacks zu übertreffen sein. Dieses ist allerdings unwahrscheinlich: »Ich möchte, daß die Leute uns in Erinnerung behalten als die junge, dynamische Gruppe, die wir einmal waren«, meinte zumindest Björn Ulvaeus im Dezember 2013. Monty Python dagegen plagen eher finanzielle Probleme als Imagesorgen – wozu sie sich auch bekennen. Und so gab es von ihrer Show »One down, five to go« (Graham Chapman starb 1989) auch gleich zehn Aufgüsse.

Zum Auftakt spielte ein Mini-Orchester ein Medley mit Monty-Python-Songs. Auf die absurde »Llama«-Definition in Spanisch folgte das lustige, aber zu lang geratene »Four Yorkshiremen«-Gespräch und der grauenhafte »Penis Song«, zu dem sich zwanzig Tänzer und Tänzerinnen auf der wie ein Varieté-Theater ausgestatteten Bühne bewegten. Im Laufe des Programms sah man noch etwa ein halbes Dutzend weiterer Tanzeinlagen, die mich an die »Hill’s Angels« der Benny-Hill-Show erinnerten. Zwischen den insgesamt knapp dreißig Live-Nummern wurden auf drei LED-Wänden Terry Gilliams Animationen und Szenen aus »Monty Python’s Flying Circus« gezeigt. Während der technische Aufwand hoch war, hielt sich der kreative in Grenzen: Die Hälfte der Nummern, Videoeinspielungen und selbst die Schlußeinblendung (»Piss off«) wurden schon 1982 bei »Live at the Hollywood Bowl« gezeigt. Neues Material entdeckte ich kaum, lediglich der Erpresser-Show-Sketch »Blackmail« wurde mit neuen Kandidaten aktualisiert. Der großartige Grimassenschneider Gilliam, der neben Michael Palin noch am frischesten wirkte, mußte dafür in eine Windel schlüpfen. Zudem wurde darin noch ein Stargast präsentiert, der einen Witz machen durfte – an diesem Abend war es der Stand-up-Comedian Lee Mack, von dem selbst mein englischer Sitznachbar noch nie gehört hatte und erst seine Frau fragen mußte.

Daß die Gruppe noch das Zeug für gute Gags hat, zeigte ein Pausenvideo, in dem der schwachsinnige Gumby (Palin) »Safety Instructions« gibt: »Run away, run away!« Auch gefiel mir der Clip, in dem der Astrophysiker und Python-Fan Stephen Hawking im Rollstuhl den BBC-Physiker Brian Cox über den Haufen fährt, weil dieser die Pythonschen Weltallthesen infrage stellte. Leider waren dies Ausnahmen. Warum nicht mehr davon? Wenigstens mehr Spontaneität, Improvisation? John Cleese sah ich in »Cheese Shop« nicht nur Käse erwerben, sondern auch das Publikum für dumm verkaufen, indem er einen Hänger vorgab und darüber einen Lachanfall bekam. Weil dies, wie ich Medienberichten entnehme, auch bei der Premiere geschah, muß ich schließen: Selbst die Patzer waren geplant.

Manche Nummern, wie etwa das Berufsberatungsgespräch oder »Nudge, Nudge«, sind zudem mit Ü70-Darstellern ungewollt unrealistisch. Außerdem mangelte es oft an Tempo, wodurch beispielsweise der für die Songs verantwortliche Eric Idle den letztgenannten, originär flotten Sketch ruinierte.

Wären Monty Python dem Beispiel ABBAs gefolgt, man hätte sie als junge, dynamische Gruppe in Erinnerung behalten. Hätten sie sich Neues ausgedacht, es wäre immerhin ein unberechenbarer Abend geworden. So bleibt der Eindruck, sie wollten weniger mit ihren Pfunden wuchern als mit englischen Pfunden: £ 20,- kostete allein das Programmheft. One to go: ich.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
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