Humorkritik | August 2014
August 2014
Das wohlbeseelte Klavier
Daß Mensch und Maschine zusammenwachsen, ist heutigentags ein Thema der digitalen Branche. Daß der Mensch bereits eine Maschine ist, hat freilich vor über 350 Jahren schon der französische Philosoph René Descartes festgestellt. Und daß eine Maschine gar ein Mensch sein könnte, wußten vor gut 250 Jahren die französischen Aufklärer Denis Diderot und Jean-Baptiste d’Alembert.
In den 1769 veröffentlichten »Gesprächen« kommen die beiden auf einen Vergleich zwischen Philosoph und Musiker, zwischen Denkinstrument und Musikinstrument. Das Denkinstrument habe Bewußtsein und sei empfindungsfähig, erklärt Diderot mit Hilfe seines eigenen Denkinstruments, leitet über auf das Musikinstrument und hebt ab: »Nehmen Sie an, das Klavier besitze Empfindungsvermögen und Gedächtnis, und sagen Sie mir, ob es dann die Weisen, die Sie auf seinen Tasten gespielt haben, nicht von selbst wiederholen wird. Wir sind doch Instrumente mit Empfindungsvermögen und Gedächtnis. Unsere Sinne sind soundso viele Tasten, die von der uns umgebenden Natur angeschlagen werden und sich oft auch von selbst anschlagen. Das ist meines Erachtens alles, was in einem Klavier vorgeht, das so eingerichtet ist wie Sie und ich.«
Darauf d’Alembert: »Ich verstehe. Wenn dieses empfindungsfähige und beseelte Klavier nun auch noch die Fähigkeit besäße, sich zu ernähren und fortzupflanzen, dann würde es leben und entweder aus sich selbst oder mit seinem Weibchen kleine Klaviere erzeugen – lebende und tönende kleine Klaviere.«
Diderot: »Zweifellos.«
Zweifellos ein komisches Kleinod. Mit dieser Bemerkung will mein Denkinstrument schließen – das Klavier ruft!