Humorkritik | August 2014
August 2014

Ein Problem der Herkunft
Der Schauspieler und Bühnenkomiker Marius Jung erhielt jüngst Aufmerksamkeit für sein Buch »Singen können die alle! Handbuch für Negerfreunde« (Carlsen), weil eine anti-rassistische Leipziger Studentenvereinigung dem schwarzen Autor einen Anti-Preis verlieh.
Dazu Grundsätzliches: Selbst wenn es mir einleuchtet, daß auch die Opfer von Rassismus die Stereotypen, die dieser produziert und perpetuiert, transportieren können – Roberto Blanco wurde der Vorwurf in diesem Magazin nicht zu Unrecht häufiger gemacht –, so erscheint mir die Humor- und Ironieferne solcher »Critical Whiteness«-Initiativen doch suspekt. Wenn man, wie im Falle des Wortes »Neger«, Kontext und Intention gänzlich ausblendet und es auf seinen lexikalischen, tatsächlich rassistischen Gehalt reduziert und zu verbannen sucht, erreicht man nicht viel mehr als Verdrängung und zerstört die Möglichkeit, dem Vokabular des Rassismus (das vermutlich erst mit dem Rassismus selbst verschwinden wird) mit Komik zu Leibe zu rücken. Eine nicht selten erfolgreiche Übung, wie einem ein Blick etwa in die Historie schwarzer amerikanischer Komiker zu zeigen vermag: siehe z.B. Flip Wilson, Richard Pryor, Chris Rock.
Mir stellt sich demgemäß die Frage: Ist Marius Jungs Buch denn also komisch? Und ich kann mich bei meiner Antwort so wenig entscheiden wie der Autor bei der Frage, was sein Buch eigentlich sein will: eine ironisch-sarkastische Anleitung zum Umgang mit »Negern«, wie der Titel verspricht? Oder die Autobiografie eines literarisch gesehen nur bedingt interessanten Lebens? Einige Scherze in den eingeschobenen Fragebögen, Listen und Anleitungen sagen mir zu, weil sie den didaktischen Duktus nutzen, um rassistische Klischees ins Leere plumpsen zu lassen: »Wichtig: Hier besteht kein Unterschied zur Begrüßung von Weißen. Auch der Neger kennt das Konzept von Tag und Nacht und freut sich, wenn man ihm einen guten Tag wünscht …« Oder auch der Foto-Running-Gag, mit welchen Prominenten Marius Jung leicht zu verwechseln sei: mit Patrick Owomoyela, Roberto Blanco, Alice Schwarzer, einem Apfel namens »Holger«. Doch erschöpft sich diese Masche, man kann die Pointen bald vorhersagen. Obendrein werden einem Witz und Intention immer wieder, manchmal fast entschuldigend, erläutert. Hier wäre Jung ein komikkundiger Lektor zu wünschen gewesen. Und ein sprachkundiger: ist doch der nervige autobiografische Teil nicht viel mehr als ein mit dem üblichen Sprechmüll (»Fakt ist«, »Wie gesagt«, »Sie merken«) durchsetzter transkribierter Monolog.
Außerdem gleiten die leidlich launigen Erzählungen der Jungschen Begegnungen mit dem Alltagsrassismus (von denen es nach eigener Aussage gar nicht so viele gibt) ständig in oberflächliche, gut Martenstein-Fleischhauer-kompatible Ablehnung der nun aber wirklich zur Genüge durchgenudelten »politischen Korrektheit« ab. Und spätestens wenn es mal wieder um »Frauen aus der Betroffenheitsriege« und andere »problemorientierte Menschen« geht, Jungs Hauptfeinde, hat man das Gefühl, im Status-quo-Kabarett des Dieter Nuhr gelandet zu sein.
Womöglich trüben mir diese Schwächen aber den Buchgenuß, weil ich ein Problem mit Marius Jungs Herkunft habe: Es ist das durch und durch Kölsche an ihm, das letztlich immer irgendwie Karnevaleske, das, wie im gesamten Comedy-Betrieb der Medienhauptstadt, stets dann ins Volkstümlich-Seichte abgleitet, wenn Komik erst entstehen könnte.