Humorkritik | August 2009

August 2009

Funnyzeit mit Brüno

War es die allzu aufdringliche PR vor dem Filmstart, die strikte Vorgabe von Sperrfristen oder die Weigerung Sacha Baron Cohens, außerhalb seiner Rolle als Brüno Interviews zu geben? Das deutsche Feuilleton jedenfalls hat »Brüno« deutlich mißmutig, ja enttäuscht besprochen. »Bemüht und konstruiert« sei der Film, der sich »kaum auf ein Thema oder einen Menschen ein(ließ)«, so der Stern: »Daß Amerika von ignoranten, bigotten Fundamentalisten nur so wimmelt, ist nicht gerade ein bahnbrechender Erkenntnisgewinn.«

Nun ist »Brüno« aber auch nicht als Dokumentation, sondern als Komödie annonciert; und wo die Kritik an Bill Mahers »Religulous« (TITANIC 3/2009, Regie hie wie da Larry Charles) noch durchaus berechtigt war, nämlich daß da jemand im Namen einer Dokumentation Menschen allzu routiniert der Lächerlichkeit preisgibt, zieht dieser Vorwurf bei »Brüno« nicht mehr. Der führt zwar ebenfalls allerhand Minderbelichtete vor, dies aber nicht zum Zwecke des Erkenntnis-, sondern des Unterhaltungsgewinns. Polemik ist naturgemäß ungerecht, in einer Komödie aber durchaus erlaubt, ja erwünscht.

Ähnlich unscharf argumentiert Tobias Kniebe in der Süddeutschen. Zwar hält er die Grausamkeit, daß die Vorgeführten keine Einspruchsmöglichkeit hätten, für den einzigen Weg, »den undurchdringlichen Schutzschild unserer Fake-Kultur noch zu durchschlagen«, weiß aber nicht, wozu: Ob Cohen ähnliche Gefahren wie die von durchgeknallten USA, die er in »Borat« aufs Korn genommen hatte, auch in den »Exzessen der Celebrity-Kultur« oder in der »immer noch real existierende(n) Schwulenfeindlichkeit« sähe? Denn auch wenn das Ende des Films diese entlarve, so müsse man doch bis dahin »jede Menge zweitklassige Inszenierungen durchstehen«. Und auch die FAZ findet erst ganz am Schluß »einen Moment, in dem die vielfachen Brechungen zwischen Beobachtungen und Identifikationen, Staunen und Ressentiment auf großartige Weise in Klarheit umschlagen« und »die wohlfeile Komik in ein echtes Experiment«.

Ich für meinen Teil habe weder jede Menge zweitklassige Inszenierungen gesehen noch echte Experimente erwartet und war dementsprechend von »Brüno« kein bißchen enttäuscht, sondern vorzüglich unterhalten: auf eine Weise, die zwischendurch sehr weh tat, gewiß – aber so tut es eben weh, wenn sich Menschen ohne Not in peinlichste Situationen bringen. Alle Forderungen nach »Entlarvung« und jede Diskussion um Echtheit oder Inszenierung einzelner Szenen aber verbitte ich mir entschieden und verweise auf die »Dokumentationen« eines Michael Moore und seiner Epigonen, deren Prinzip, Fakten und Fiktionen fröhlich zu vermischen, um an drastischere Eindrücke zu kommen, womöglich bei vielen Kritikern noch die Maßstäbe bestimmt, mit denen sie nun »Brüno« beurteilen. Dabei meint es Moore immer ernst, bierernst sogar, wohingegen Cohen nichts ernst nimmt und so die »satirischen« Dokumentationen der letzten Jahre in die Postmoderne überführt. Das mag man nihilistisch finden, aber für eine Komödie ist Nihilismus das schlechteste nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg