Inhalt der Printausgabe
März 2006
Humorkritik (Seite 7 von 9) |
Heine und die Folgen |
Ein Claus Christian Malzahn nimmt mich in der Online-Ausgabe des Spiegels mit auf eine »literarische Safari durch Heines Welt«: »Herz, Schmerz, Terz: Vor 150 Jahren starb Heinrich Heine in Paris … Ohne Liebeskummer wäre Heinrich Heine ein armer Harry geblieben. Wenige haben über das Ach und Weh in der Brust so zartbitter-präzise Auskunft gegeben wie dieser deutsche Dichter, der als Sohn eines jüdischen Textilkaufmanns 1797 zu Düsseldorf am Rhein geboren ward … Von weitem glänzt mancher Vers wie Schmalz in der Sonne. Aber wehe, man kommt näher, dann riecht man die ätzende Substanz … Herz hat etwas mit Schmerz zu tun, obwohl Meister Heine solche Reimpaare sorgsam vermied. Selbst wenn: Worauf soll sich Herz denn sonst reimen? Eisenerz? Friedrich Merz? Riesenterz? Und natürlich hat Heinrich Heine ein Buch der Lieder und kein Buch der Luder geschrieben – denn die Luder, die kamen immer nach dem Reimen … Nebenbei hat er in Deutschland noch das Feuilleton erfunden, den Journalismus halb dazu. ›Das ist die Franzosenkrankheit, die er uns eingeschleppt hat‹, wetterte Karl Kraus im Jahre 1910. So empfanden viele Deutsche, Heine galt als Nestbeschmutzer, Fremdling, Sprachschänder. Daß die antisemitischen Klischees im Falle Kraus auch von einem Juden gegen Heine in Stellung gebracht wurden, macht die Sache nicht besser. Heine habe ›der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert, daß heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern können‹, schrieb Kraus weiter – für den jüdischen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki war diese ›sprachgewaltige Hetzschrift‹ letztlich eine ›ödipale Rebellion, in der der Jude Kraus mehr sich selber als seinen Gegenstand, den Juden Heine, entlarvt‹« – man muß aber gar nichts gegen Heine haben und braucht auch keinen Freud nicht, um Krausens Verdikt in derart furchtbar flotter Schreibe im Grundsatz schön bestätigt zu sehen; da kann der Kommis und exemplarisch arme Harry vom Spiegel von Antisemitismus faseln, soviel er will. |
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