Inhalt der Printausgabe
März 2004
Humorkritik
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Figaro - das Journal |
Auf meinen unvermeidlichen Exkursionen durch mitteldeutsches Feindgebiet ist mir mit den Jahren "Figaro. Das Journal" auf Radio mdr Kultur zum lieben Begleiter geworden. Sowohl morgens von 6 bis 9 als auch nachmittags von 16 bis 18 Uhr treten strafversetzte Moderatoren und Redakteure, die offensichtlich nichts mehr zu verlieren haben, den Beweis für die lustige These an: "Kultur ist was für jeden Tag." Nun brauche ich Ihnen nicht mit Karl Kraus zu kommen. Andererseits amüsiert mich ein Werbeslogan wie "Die intelligente Mischung aus Zeitgeist und Zeitgeschehen, Kunst und Politik, Literatur und Lifestyle" stets aufs neue. Als besonders raffiniert sind mir die auf übertrieben autobahnbreiter Schleimspur geführten Interviews mit Heiner Geißler in Erinnerung, und fast konnte ich das süffisante Nicken des Interviewers mithören, als Peter Glotz sein und Steinbacherikas Vertriebenencenter verteidigte. Aber "Figaro. Das Journal"-Humor bedeutet viel mehr: Früh um halb neun werden die Feuilletons richtiger Zeitungen mit zugehaltener Nase vorgelesen, und wenn unser kugeliger Marcel einen gesamtdeutschen Literaturkanon ausbrütet, dann reichen die Hallenser Witzbolde einen mitteldeutschen nach. Gibt es Fragen zur DDR, wird Lutz Rathenow exhumiert. Und die CD-Rezension der Woche wird kunstfertig aus den Phrasenbaukästen bestritten, die allhier mit dem Niedergang der Stadtmagazine leider völlig außer Gebrauch gekommen sind. Richtig abgedreht jedoch wird "Figaro. Das Journal" erst mit der wöchentlichen Neuinterpretation bekannter Bibelworte. Was habe ich da schon lachen müssen! Im Dienst-PKW darf ich diese Perlen gar nicht empfangen, sie gefährdeten sonst die Fahrtauglichkeit meines Chauffeurs. Den passenden Soundtrack übrigens liefert "handverlesene Musik, Konturen und Klangfarben gegen den Mainstream", was sich bei näherem Hinhören als äußerst provokantes Pendeln mitteldeutscher Sting-und Neil-Young-Junkies zwischen sinfonisch arrangiertem Düdeljazz und populärer Kuschelklassik in Jazzrockfassung entpuppt. Sie sehen - das muß man mal gehört haben. Für diese Art verdeckte Comedy würde ich auf der Stelle und glatt einen Kabarettpreis stiften. |
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