Inhalt der Printausgabe
März 2004
Humorkritik
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Dublin Blues |
Daß es der Berliner tageszeitung nicht ganz so schlecht gehen kann, wie ihre Abo-Jammerei gerne tut, mag man daran erkennen, daß sie sich noch immer einen Irland-Beauftragten vor Ort leisten kann. Dieser heißt seit Menschengedenken Ralf Sotscheck, und jeden Montag freue ich mich schon wie Bolle, auf der meistgelesenen Seite der taz, nämlich der letzten und "Wahrheit" genannten, eine Sotscheck-Kolumne lesen zu können. Sotscheck lebt in einem kleinen Land, das sich von Großbritannien hauptsächlich durch den Haß auf dasselbe unterscheidet, in dem der Premierminister nicht Premierminister genannt wird, sondern "Häuptling" ("Taoiseach"), und die Regierungspartei auf den Namen "Soldaten des Schicksals" hört: "Fianna Fáil". Da man aber niemandem zumuten kann, alle Montags-tazzen zu sammeln, hat Sotscheck die Kolumnen zwischen Buchdeckel binden lassen, auf deren vorderem ein gut gefülltes dunkles Pint das Betrachterauge wohlig anfeuchtet. Die Lektüre ist äußerst lehrreich. Der Korrespondent verrät, warum man in Irland keinen Bart tragen sollte (weil eine wissenschaftliche Untersuchung im Auftrag der Guinness-Brauerei ergeben hat, daß jährlich 162719 Pints in Schnurrbärten hängenbleiben und ungenutzt verdunsten), warum es in Dublin mittlerweile Mietsärge gibt (weil man vom Ersparten Bier kaufen kann) und warum der Häuptling "jetzt wieder häufiger" bei Sotscheck klingelte (weil Wahlen anstanden und Sotscheck im Wahlkreis des "Taoiseach" wohnt). Auch berichtet er kundig und ohne zu beschönigen von Kellnern, die aufgrund überraschender Volltrunkenheit weibliche Gäste in Brand setzen, und von Tim, dem Dachdecker, der nach einer Begräbnis-Zecherei eines Morgens völlig durchnäßt in einem Straßengraben aufgefunden wurde. Wie seine Thekenkollegen, die er sofort nach dem Aufstehen wieder aufsuchte, schließlich rekonstruierten, warum und an welcher Stelle Tim des Nachts sein Auto ins Meer gefahren hatte, das sollten Sie bei einem gut gefüllten Kanister Guinness am besten selbst nachlesen: "Dublin Blues" ist gerade im Rotbuch-Verlag erschienen. |
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