Inhalt der Printausgabe
Juli 2002
"Asoziale Rattenfänger!" Wie TITANIC und FDP einmal gemeinsam in Thüringen einen antisemitischen Spaßwahlkampf führten (Seite 8 von 14) |
Aber wir hören auch andere vertraute Klänge: Westdeutsch, Kölner Dialekt. Eine Reisegruppe marschiert am Stand vorbei, zwei etwa 50jährige Damen in geschmackvoll geblümten Blusen stutzen, bleiben angewidert vor den Plakaten stehen: "Nee! Das sollte die Pieper in ihrem Alter nicht mehr machen! Nackt, das ist billig, so billig!" Die größere von ihnen ist derart enttäuscht, daß sie sogar den angebotenen Versöhnungslikör (18%) ablehnt: "Ich bin tief enttäuscht, wir wählen Sie in Nordrhein-Westfalen nicht mehr!" Ein männlicher Mitreisender dagegen riskiert einen auffällig langen interessierten Blick; bevor er jedoch ein Urteil abgeben kann, zieht ihn seine Frau weiter: "Komm, das ist doch 'ne halbe Prostituierte!" So schlecht ist der Ruf unserer Volksvertreter in Köln mittlerweile! |
Alles schien zu stimmen, am Mittwoch in der Karlstraße in Eisenach. Ein Plakat mit dem Bildnis einer blondierten Dame namens Pieper, die Zahl 18 allüberall und junge, dynamisch wirkende Menschen in gelben Hemden, die Devotionalien der Freien Demokratischen Partei, kurz FDP, verteilten.
Thüringer Allgemeine, 7.6.02
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Zwei schnurrbärtige Nachzügler der Gruppe halten inne, mustern unsere Generalsekretärin genießerisch und ohne jegliche Scham, können sich kaum losreißen: "Schöne Brüste hat die ja nich!" Einen dritten irritiert das wenig: "Wenn ich die demnächst im Fernsehen seh, weiß ich, wie die untendrunter aussieht!" Allein dafür hat sich unsere kleine Fahrt schon gelohnt! Und gleich darauf können wir noch einem ca. 12jährigen Schüler mit offensichtlichem Interesse für Piepers Oberweite die Grundzüge des politischen Geschäfts vermitteln. Auf seine Frage, warum die Frau auf dem Plakat nackt sei, antwortet der studierte Politologe Sonneborn: "Das? Ach, das machen wir, damit die schmutzigen alten Männer hier alle FDP wählen." |
"Schöne Brüste hat die ja nich!" Touristen kritisieren Generalsekretärin Pieper |
"Hallo, haben Sie Interesse an Liberalität? Oder an Eierlikör?" Mit dieser Fangfrage bringen wir zwei weitere thüringische Bürgerinnen in den besten Jahren ab 40 dazu, am Fragebogen mal eben ihrer demokratischen Pflicht nachzukommen: "Der Möllemann hat Recht, endlich mal einer, der sich was zu sagen traut!" Ein vierzigjähriger Jeansjackenträger dagegen interessiert sich leider ausschließlich für die ausgelegten FDP-Mitgliedermagazine aus dem freiheitlichen Hause B. Uhse. Auf unsere Frage nach großen Liberalen in seinem Bekanntenkreis schreckt er hoch, behauptet ausweichend, daß er mal Maschinenbauer in Schmalkalden gewesen sei. "Überlegen Sie mal", ruft er uns im Weitergehen zu, "wie die Welt in 15 Jahren aussieht, die Jugendlichen brauchen doch alle ein Hörgerät!" Zum Trost geben wir ihm ein Uhse-Magazin mit, "zum Liberalismus-Heimstudium!" Wie um ihn zu widerlegen, schlurfen zwei Jugendliche ohne Hörgerät, aber mit Gelfrisur vorbei, zischen uns immerhin ein "scheiß Möllemann!" zu. Die sollten erst mal lernen, ihre Turnschuhe richtig zuzubinden! |
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