Inhalt der Printausgabe
Juli 2002
"Asoziale Rattenfänger!" Wie TITANIC und FDP einmal gemeinsam in Thüringen einen antisemitischen Spaßwahlkampf führten (Seite 6 von 14) |
So macht Wahlkampf Spaß! Solange alles klappt, versteht sich.
Und vom geringen Verkehrsaufkommen abgesehen tut es das ja auch. Nach einer Weile kommt immerhin eine mitteljunge Frau auf uns zu und zeigt sich begeisterungsfähig: "Kommen Sie von der Partei? Das finde ich absolut richtig, daß Sie hier so was machen. Das ist lange mal nötig!" Wiederum eine Viertelstunde später wackelt Volkes Stimme abermals heran, diesmal in Form eines kleinen Mittfünfzigers mit Schrebergartenbräune und Polytechniklehrer-Appeal, der genau das sagt, was spaßorientierte Jungliberale wie wir hören wollen: "Möllemann, das ist ein zweischneidiges Pferd… äh, Schwert, aber Antisemit? Das glaube ich nicht. Gerade wenn wir überlegen, was wir den Juden angetan haben, müssen wir doch kritisch gegenüber Israel sein. Die israelische Siedlungspolitik ist doch wie ›Volk ohne Raum‹. Nichts anderes hat Möllemann ja gesagt. Der Friedman ist ein ganz ganz schlimmer Typ. Menschenverachtend! Diese Plakate finde ich übrigens nicht gut." |
In den Abendstunden des Mittwoch war ein gelbes Auto mit der blauen Aufschrift "Guidomobil" (in Anlehnung an den Wahlkampfbus des FDP-Chefs Guido Westerwelle) in die Karlstraße gefahren. Blau-gelb gekleidete, junge Menschen bauten einen Stand auf und starteten eine Befragung.
Thüringische Landeszeitung, 8.6.02
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"Kein Land blecht so für Hitler wie wir!" assistiert Zonen-Gabys Schwester krähend, und für einen Moment vergessen wir unsere Verärgerung über die ungerechtfertigte Plakatkritik. Naja, argumentiert Pg Rürup überraschend links, außer den Deutschen habe ja auch niemand… "Na aber doch heute nicht mehr!" kreischt es mit Macht aus dem fashion victim heraus, das auch in puncto Wahlkampf-Rabulistik sehr viel mehr Ahnung hat als der Schrebergärtner: "Kuck mal das Plakat! Ey geil! Die Schweine!" Noch ein letztes Schlußlikörchen, dann wird in der nächsten Kneipe weitergekurt. |
Der neue Dreiklang der FDP: Lustig, liberal, lechz |
Eine 54jährige Frau mit kastanienbraun gefärbtem Haar und halbmelancholischem Grinsen wünscht sich im Fragebogen "mehr Arbeitsplätze" und "mehr Industrie in der Gegend". Daß die Juden zuviel Einfluß haben, hat sie schon oft erlebt, z.B. auf Madeira, wo sie und ihr Mann abends im Restaurant von Franzosen vom Tisch vertrieben und als Nazis beschimpft worden seien. "Sie sind aber hoffentlich keine!" droht Sonneborn (FDP) kokett mit dem Zeigefinger. "Neinnein", ruft die Frau erschrocken, "natürlich nicht!" |
Pg Rürup beim Likörausschank: "Darf ich bitte mal Ihren Führerschein sehen?" |
Schade. Und da es auch sonst in Stadtlengsfeld keine brauchbaren Nationalliberalen mehr zu geben scheint, müssen wir jetzt weiter, denn auf die per Megaphon verbreitete Parole "Achtung, Achtung, hier spricht die FDP!" reagiert praktisch überhaupt niemand mehr. Also nichts wie weg nach Eisenach! |
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