Inhalt der Printausgabe
August 2002
Humorkritik
(Seite 4 von 8)
Beladene Mädels (1 von 2) |
Vor zwanzig Jahren haben sich Jugendliche als Popper, Rocker, Punks oder Ökos stilisiert, ein Spektrum, das bald um Grufties, Skins etc. ergänzt wurde; heute florieren Inszenierungen als cooler Rapper, hipper Raver, keltischer Krieger und was noch alles - kein Zweifel, die Jugend neigt mehr denn je dazu, die jeweilige Gemeindezugehörigkeit in der Alltagskleidung offenzulegen. Eine Tatsache, die Regisseuren viel Arbeit erspart, sooft es gilt, einen jungen Menschen auftreten zu lassen: Müssen für die Darstellung einer reiferen Person mühsam Charakterfalten modelliert werden - ein Teen oder Früh-Twen wird einfach mit den Accessoires einer saisonalen Jugendreligion ausstaffiert, fertig ist die komplette Figur. Was im Film oder auf der Bühne auch tatsächlich funktioniert, soweit es sich um eine Nebenrolle handelt, zumal im Komödiengenre, wo feine Differenzierungen ja gar nicht zweckgemäß wären. Geht's um die Gestaltung einer Hauptrolle, liegen die Dinge freilich anders; und deshalb muß ich dem aalglatten Kinoerfolg "Natürlich blond" meine Anerkennung versagen. Auch wenn das Hollywood-Märchen vom kükenhaften Blondchen, das aus Liebe zu einem Elitestudenten selbst zur Jura-Karrieristin mutiert, recht fachmännisch auf Realismus geschminkt wurde - es hat mich völlig kalt in den letztjährigen Spätherbst entlassen. Für die hübsche, helle, herzliche Protagonistin wollte keinerlei Sympathie aufkommen. Woher auch? Zu überdreht das Schnattergänse-Milieu, dessen Attribute die Protagonistin Elle Woods (Reese Witherspoon) nie wirklich ablegt. Ihre den Film beschließende Strafverteidigungsheldentat gelingt gerade aufgrund von blondinentypischen Kenntnissen der Schönheitspflege. Nichts gegen eine gut konstruierte, heitere Bagatelle, doch wo sich die Handlung vollständig auf eine einzelne Person konzentriert, braucht diese ein individuelles Profil. Was Elle Woods nicht zu bieten hat - allenfalls als Nebenakteurin einer halbstündigen Sitcom wäre diese Klischeeblondine tauglich. Tatsächlich sind es einzig die Sitcom-Elemente, mit denen "Natürlich blond" punkten kann, der zeitweilige Dialogwitz etwa: "Er steht immer noch da und kratzt sich den Kopf." "Das dürfte mal eine nette Erholung für seine Eier sein." Nett ist das, doch keineswegs abendfüllend. Um so mehr hat mich ein zweiter im letzten Herbst erschienener Film gefreut, bei dem gleichfalls ein junges Mädchen im Mittelpunkt steht: Terry Zwigoffs "Ghost World". Wobei die facettenreiche Charakterisierung von Hauptperson Enid (Thora Birch) erst recht deshalb Beifall verdient, da ein Comic als Vorlage dient, dessen Figuren mit wenigen Strichen gezeichnet sind. Strichmännlein und -weiblein bei ihrer Inkarnation durch Schauspieler plastische Tiefe zu verleihen, an dieser Aufgabe ist schon mancher Regisseur gescheitert. So beklagte der Zeichner Ralf König, in seinem "Bewegten Mann" kämen die beiden Frauen sogar platter und blöder daher als in der Vorlage - ein Defizit, das um so schmerzlicher wirkt, da Königs Strips als kurze Episoden angelegt sind, während wir's mit den Kinofiguren volle anderthalb Stunden aushalten müssen. |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |