Inhalt der Printausgabe

August 2002


Humorkritik
(Seite 6 von 8)

Abnorme Böcke

Dem Peter Hacks sein schönstes Stück ist "Der Bär auf dem Försterball", mit einigem Verlaub und Vielleicht gesagt. Ein Kinderbuch mit Zeichnungen von Walter Schmögner (Rowohlt-Rotfuchs). Die versammelten Förster halten trinkfreudig den seinerseits trunkenen Bären für den Oberförster, weil sein Baß so tief ist "wie die Schlucht am Weg, in die Omnibusse fallen". Eine Stelle kann ich auswendig: "Sie riefen Hussa und Hallihallo und Halali, wovon das eine soviel bedeutet wie das andere, nämlich gar nichts, aber so ist das Jägerleben."
In der Komikskala der Berufsständeversammlung nimmt der Oberförster seit jeher unbedingt einen der oberen Ränge ein. Ich lese und studiere jeden erreichbaren Nachruf auf Förster und Oberförster und schneide durchaus einmal diesbezügliche Todesanzeigen aus den Zeitungen aus. So etwa, wenn die "Waldjugend Dudeldorf" dem verstorbenen Forstoberamtsrat Karl-August B. "ein letztes Halali" (G. Benn) bläst: "Sein Tod hinterläßt in der Waldjugendarbeit eine schmerzliche Lücke. Der leidenschaftliche Einsatz für die Waldjugend war beispielhaft. Wir wollen sein Lebenswerk in seinem Sinne weiterführen. Karl-August, wir danken dir für alles, was du für uns getan hast. Wir werden dich nicht vergessen." Das verspricht die "Waldjugend Dudeldorf".
Herzlich lachen mußte ich neulich über eine Ankündigung des "Jahr Top Spezial Verlags", die mir ein Leser zukommen ließ mit der Bemerkung: "Sie werden an dieser Neuerscheinung sicher Ihre Freude haben." Tatsächlich! "Hochaktuell zum Beginn der Bockjagd am 1. Mai jeden Jahres" wird, von Autor Ulrich Herbst und Fotograf Jens Peter Burkhardt, das Buch "Abnorme Böcke" angeboten. Der Umschlag, grün wie eine Wildererhose, zeigt einen offensichtlich abnormen Bock sowie einen Rehbocktotenschädel mit einer korallenartigen Ausformung statt eines Gehörns. "Abnorme Böcke" umfasst 170 Seiten mit über 300 Farbfotos. Und wird "jeden Monat ganzseitig vierfarbig" in der Zeitschrift "Jäger" beworben. "Abnorme Böcke" muß jeder Waidmann haben. Schließlich sind "abnorme Böcke der Traum eines jeden Jägers". Und ein Buch über abnorme Böcke "hat es in dieser Art noch nicht gegeben". Denn "in sensationellen Fotos und mit populärwissenschaftlichen Texten hat der Autor seine Ergebnisse jahrzehntelanger Forschungen festgehalten." So wurden erstmalig Gehörne von abnormen Böcken "in verschiedenen Wuchsstadien computertomographisch untersucht." Deshalb ist "Abnorme Böcke" "gerade zum Beginn der Bockjagd ein Muß für jeden Jäger und ein hervorragendes Geschenk für alle Jagd- und Naturfreunde." Endlich, endlich werden auch die abnormen Böcke ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt. Hallihallo, Hussassa und Halali!


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg