Inhalt der Printausgabe
Lauter bunte Lügen!
Überzuckerte Süßigkeiten und fetthaltige Snacks werden mit fiesen Tricks als »Kindernahrungsmittel« vermarktet, obwohl es so etwas gar nicht gibt. Damit soll jetzt Schluss sein, fordert Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Erste Lebensmittelhersteller reagieren auf das kommende Reklameverbot.
Milch- und Nusspower verheißt Kinder Choco Fresh. Um ihre Anmutung zu neutralisieren, tragen die Riegel wieder den alten Namen Kinder Prof. Rino und zeigen auf der Verpackung das neue Testimonial Prof. Dr. med. Gerhard Rino, einen niedergelassenen Ernährungsmediziner aus Saarlouis.
Auch das Maskottchen der Frühstückscerealien Smacks wird angepasst. Kein schriller Frosch mit crazy Käppi biedert sich bei den Youngsters an, sondern ein (fast) realistisches Exemplar des Schrecklichen Pfeilgiftfrosches (Phyllobates terribilis). Subtil weist die Firma Kellogg’s damit auf die weniger gesundheitsfördernden Ingredienzien hin.
Die lustige Schrift und der auf Vorschulinstinkte abzielende Name von Meicas Mini Wini Würstchen-Kette sind passé. Die Miniatur-Brühwurst-Fragmente kommen zwar weiterhin im kinderleicht zu öffnenden Schraubglas daher, geben aber nichts davon preis, dass »sie genau nach dem Geschmack von Kindern gemacht sind« (offizielle Beschreibung).
Nicht nur die Darreichungsform, auch die Farbe kann mehr oder weniger explizit ausdrücken: »Kommt und fresst mich in Massen, Jungs und Mädels!« Daher ummantelt Nestlé seine Smarties fortan in neutraleren Tönen.
»Mit dem Kids Tomato Ketchup zockt Heinz Eltern ab: Die Kids-Variante kostet bis zu 40 Prozent mehr als das Pendant für Erwachsene, obwohl der Ketchup genau der gleiche ist«, monierte Foodwatch bereits 2018 und verweist regelmäßig auf die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, nach der gezuckerte Ketchups überhaupt nicht für Kinder beworben werden sollten. Jetzt engt Heinz die Zielgruppe freiwillig ein: mit dem BonzenKinder Tomaten Craft Ketchup für 69,20 Euro pro Liter. (Das Label »Craft« wird möglicherweise wegen eines anhängigen Rechtsstreits mit einem ähnlich klingenden Ketchup-Fabrikanten gestrichen.)
Eigentlich bedenkliche Produkte suggerieren den Junior-Konsumenten und ihren Eltern, »wertvolle Inhaltsstoffe« zu enthalten. Einen ganz anderen Weg schlägt die Firma Tranone ein und verpasst dem guten alten Lebertran ein Super-RTL-taugliches Upgrade – mit Schmackofatz-Öl und der witzigen Werbe-figur »Super-Trani, die singende Fischleber«.
Torsten Gaitzsch / Leo Riegel