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Weihnachtsspaziergang, 2020
von Philip Saß
Markt und Straßen stehn verlassen,
null Gedränge, keine Staus.
Sinnend geh ich durch die Gassen:
Trotz der blöden Virenmassen
sieht die Welt recht friedlich aus.
Wie viel Weihnachtszauber
blieb in diesen Zeiten noch bestehn?
All die Menschen weilen lieb in
ihrem Heim. Da ich ein Creep bin,
will ich's mal genauer sehn:
Kinder machen Zoom mit Opa,
für paar Scheine dulden sie
seine Klagen zu Europa.
Später schmücken sie mit Klopa-
pier die Tanne, während die
Eltern sanft den Karpfen killen.
Ich entweiche, wie das Tier,
und dann hör ich in der Stillen
Nacht erregte Stimmen schrillen:
»Cyberpunk für PS4??«
Nebenan, der Quarantäne-
Pastor hat das Netz entdeckt.
Doch sein Stream sorgt für Gegähne
(was ich mitleidsvoll erwähne),
denn das Mikro ist intakt.
Wo die Aufgewachten wohnen,
schenkt man quer, nach altem Brauch:
hübsche neue Mutationen,
so ein Abend soll sich lohnen,
Jesus starb ja schließlich auch.
Aber gut, ich geh dann lieber.
Gleich scho dumpa, kühl und trist.
Jäh läuft mir ein Schauer über
meinen Rücken, geht vorüber ...
Herr, mach, dass das Weihnachtsfieber,
nichts als Weihnachtsfieber ist!
Ach, und schick in Gottes Namen
endlich Impfstoff rüber. Amen.