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Ahmad Mansour – Ein Klartexter klartextet Klartext

Für den Deutschen gibt es nichts Schöneres als ein Buch über Ausländer, die Scheiße bauen. Am härtesten geilt es den Deutschen an, wenn ein Ausländer selbst erzählt, dass Ausländer Scheiße bauen. Sarrazin prophezeit den endgültigen Kartoffeltod? Hot! Aber wenn der Psychologe Ahmad Mansour auf 300 Seiten gegen "falsche Toleranz" wettert, dann platzt dem Deutschen die Sackhaut, noch bevor er "Sie haben mich ins Gesicht gefilmt!" stöhnen kann.

Wobei Ahmad Mansour seit letztem Jahr kein Ausländer mehr ist, sondern nun die deutsche und die israelische Staatsbürgerschaft besitzt. Aber für Horst und Erika kann ein Moslem namens AHMAD ja ohnehin nie so richtig zum Landsmann werden, so sehr er's auch versucht. Mansour gibt dennoch alles.

Der vollständige Titel seines jüngst erschienenen Werks lautet: "Klartext zur Integration: Gegen falsche Toleranz und Panikmache". Und wie immer, wenn irgendwo "Klartext" gesprochen wird, geht es natürlich darum, Nazis zu verstehen. Oder zumindest darum, die Linken als ebenso widerwärtig hinzustellen wie die Rechten. Weil es sich verkauft.

Das bedingungslose Verständnis für Neonazisorgen muss deshalb auch schon auf der ersten Seite, gleich im Vorwort artikuliert werden. Zur AfD-Weidel, die nicht einfach nur populistisch, sondern schlicht rechtsradikal von "Kopftuchmädchen" und "alimentierten Messermännern" gesprochen hatte, fällt dem 42jährigen solches ein: "Natürlich müssen wir in der Lage sein, diese Frau für ihre rassistische, diffamierende Art und Weise zu kritisieren. Aber wir dürfen das, worüber sie redet, nicht einfach totschweigen, nur weil es aus ihrem Mund gekommen ist." Ja: Nur, weil Nazis Nazisprüche von sich geben, müssen die Nazisprüche ja nicht gleich falsch sein.

Im Interview mit dem Schweizer "Blick" äußerte Mansour über AfD-Politiker dann auch, was im Buch nur zwischen den Zeilen steht: "Sie leben von Angst. Aber diese Angst ist real." Erinnern Sie sich noch an die Zeit, in der die blaugestrichene NPD in Umfragen noch unter 10 Prozent dümpelte und man angefangen hat, die Angst ihrer Wähler nicht länger als die Wahnvorstellung zu bezeichnen, die sie ist? Als man sie plötzlich ernst nahm? Sie "real" nannte? Und wie gut das funktioniert hat?

Beim Blick nach links indes schaltet der selbsternannte "Grundgesetzpatriot" dann schnell wieder in den Klartextmodus: Die Linken "fühlen sich moralisch überlegen" – was sie halt auch sind. Genau wie Veganer bessere Menschen sind, weil sie es im Gegensatz zu uns Fettärschen schaffen, ihre eigene Bequemlichkeit zur Minderung des Leids anderer zu überwinden, aber sei’s drum. "Sie wollen mit uns Muslimen kuscheln. Wir sind ihre Kuscheltiere." Mansours Konklusion: "Sie sind genauso fanatisch wie die Rechtsradikalen, die uns für wilde Tiere halten." Unverhältnismäßiges Mitgefühl und der Wunsch, jemandem die Kehle aufzuschneiden, sind demnach exakt dasselbe. Links die überempathischen Spinner, rechts die völlig zu Recht Verängstigten.

Doch war vom Autor von "Generation Allah – Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen" etwas anderes zu erwarten? Ein Hinweis darauf, dass nur ein paar wenige Prozent der hier Lebenden an diesen Allah glauben? Freilich nicht, das senkt nur die Verkaufszahlen. Lieber teilt Mansour daher dem "Hamburger Abendblatt" mit, dass es Rassismus "auch gegenüber Deutschen" gibt. Und der Mann hat studiert.

So ist auch der neue Titel nichts die bekannte Schreckenserzählung, die seit Jahren für libidinöse Energie in den Redaktionen von "Bild" und "Focus" sorgt: muslimische Familien mit Prügelstrafen; Jungen, die während des Ramadans nichts trinken; Mädchen, die nicht zum Schwimmunterricht erscheinen.

Hinzukommen fabelhaft ausgedachte Anekdoten wie diese: "Im Anschluss an die Veranstaltung kam ein Mitarbeiter des Jugendamtes auf mich zu und sagte: 'Herr Mansour, eine Frage, meinen Sie nicht, dass es Kulturkolonialismus ist, wenn wir den Menschen, die hier herkommen, unsere Werte aufzwingen?' Ich fragte ihn nach einem Beispiel. Er dachte nach, wirkte auf einmal unsicher und antwortete dann: 'Es gibt einfach Kulturen, in denen gehört es dazu, Kinder zu schlagen und auch schon kleinen Mädchen Kopftücher anzuziehen. Und wer bin ich denn, diesen Eltern vorzuschreiben, das zu lassen?'" So kennt man die Jugendamtmitarbeiter: Immer bis zuletzt auf Seiten der kulturfremden Eltern. Falls Sie's bis hierhin schon nicht glauben können, freuen Sie sich auf den direkt folgenden Satz: "Ich habe in den letzten Jahren Hunderte solcher Briefe bekommen, habe unzählige solcher Gespräche geführt." Mit sich selbst vielleicht.

Wem die Begriffe "Ehrenmord" und "Burkini" also zu selten in der Tageszeitung vorkommen, der kann sich das jetzt alles gebuchbündelt ins Regal stellen. Ein Bestseller wird’s bestimmt werden, lassen sich die Deutschen in ihrer einzigartigen Angst doch seit jeher die dümmsten Thesen aufschwatzen. Man kann nur hoffen, dass Sarrazin wenigstens einmal Recht hatte.

Cornelius W.M. Oettle

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg