Humorkritik | Dezember 2017

Dezember 2017

Wer Böses gibt für Gutes aus,
Dem kommt das Böse
nicht aus dem Haus;
Wer lacht, damit ein andrer weint,
Den trifft das gleiche, eh ers meint.
Sebastian Brant

Weg Schwindsucht

Sobald die Leute bei geselligen Zusammenkünften das Thema Reisen ausgereizt haben, folgt unweigerlich der Bereich »Arbeitswelt«, wobei die dazugehörigen Gespräche sich weniger um Arbeitsinhalte als vielmehr -bedingungen drehen: dumme Vorgesetzte, dumme Mitarbeiter, dumme Kunden. Und weil Schriftstellerinnen und Schriftsteller auch Leute sind, verhält es sich bei ihnen nicht anders – nur daß sie ihre diesbezüglichen Erfahrungen nicht bloß bei Partys, sondern auch in ihren Werken verwerten. Solange sie das in Form von Memoiren, Korrespondenzen o.ä. tun, braucht es mich nicht zu interessieren; sehr wohl aber, wenn es sich um Satiren handelt.

Für Literaturbetriebssatiren gelten dabei die üblichen Qualitätskriterien: Es soll unterhaltsam zugehen, übergeordnete Relevanz wäre fein, und gut gemeint reicht auch hier nicht. Letzteres illustriert etwa Antonio Manzinis Roman »Spitzentitel« – laut Verlag (Wagenbach) nichts Geringeres als eine »messerscharfe und urkomische Persiflage«, bei welcher der Leserschaft »Hören und Sehen« vergeht: Manzini erzählt vom »berühmten Schriftsteller Giorgio Volpe«, der seinem Verlag ein neues Werk schickt und feststellen muß, daß das seriöse Haus von einem Konzern geschluckt wurde, dessen Unternehmenskultur recht unkultiviert ist: Statt eines kompetenten Lektors schickt er Volpe ein Duo ins Haus, dessen einer Teil, ein radebrechender Russe, Klassiker wie Tolstoi oder Thomas Mann im Konzernsinn (»Sex viel«) redigiert (»Ich schreiben auch Zauberberg um. Weg mit Krankheit, weg Schwindsucht und Tuberkulose, rein Feen und Berggnome«) und nun dem Dichter beim Optimieren seines komplexen Romans bedrohlich zur Seite steht. Überhaupt befleißigt sich die neue »mächtigste Verlagsgruppe aller Zeiten« rüder Mafiamethoden: Kleine Verlage werden eingeschüchtert und weigern sich deshalb, Volpes Werk zu übernehmen, Kollegen des Dichters sind bereits korrumpiert und machen das lukrative Spiel kultureller Gleichschaltung mit.

Das alles ist aber nicht »urkomisch«, denn die Scherze sind sehr absehbar; es ist nicht »messerscharf«, denn es repetiert bloß Klischees über Unternehmen und Unternehmenskonzentration; und »Hören und Sehen« vergeht mir dabei auch nicht, weil ich weiß bzw. zumindest ahne, daß global operierende Konzerne es sich erlauben können, wesentlich subtiler vorzugehen, als sie es in Manzinis Vorstellung tun. Doch wo ich schon mal beim Thema bin: Klaus Modicks strukturverwandten Roman »Bestseller« (Taschenbuch bei Kiepenheuer & Witsch) habe ich als messerscharfe und urkomische Persiflage in Erinnerung, bei der mir Hören und Sehen zum Glück aber keineswegs vergangen sind – wäre es doch schade gewesen, hätte ich dieser unterhaltsamen und gescheiten Literaturbetriebssatire blind und taub gegenübergestanden.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg