Humorkritik | Mai 2011

Mai 2011

Kein Frühling für Hitler

Der Wiener Milena-Verlag hat Otto Basils 1966 erstmals erschienene Nazi-Satire »Wenn das der Führer wüßte« neu aufgelegt, in der die Deutschen den Zweiten Weltkrieg (per Atombombe auf London) gewonnen haben. Wer sich auf Robert Harris' »Vaterland« in komisch gefreut hatte, wird enttäuscht, denn anders als der Cambridge-Historiker Harris, der, weil er von der Banalität des Bösen wußte, sein siegreiches Nazideutschland präzise extrapolierte und es den real existiert habenden sechziger Jahren partiell ähneln lassen konnte, fährt der Literaturkritiker Basil, der als Gründer der österreichischen Nachkriegszeitschrift »Der Plan« zu Ruhm gelangt ist, lieber hochtourig – was seiner Erzählung nicht gut bekommt.

Während Harris das kühl Herrschaftstechnische des Hitlerischen Deutschland ins Gegenwärtige verlängert und viel Wert auf die Logik der Geschichte (im doppelten Sinne) legt, beruht Basils »Neue Ordnung« auf dem obskurantischen, esoterischen Teil des Nationalsozialismus: Die Hauptfigur mit dem symptomatisch turbulenten Namen Albin Totila Höllriegl ist »Strahlungsspürer« und Mitglied der »NS-Fachschaft für Pendelweistum«, und auch sonst wimmelt es von Gyromanten, Ariosophen und anderen von gewalttätigen Sexphantasien gequälten Heiden, deren komisches Potential Basil allerdings überschätzt, genauso wie das des germanifizierenden »Mutterdeutschs«, das die besonders beflissenen Arier sprechen und das nicht komisch klingt, sondern bloß schlecht ausgedacht: »Fahren Sie ein Brufart? Wenn ja, dann örten Sie in Sauckelruh an und kommen zu uns herauf zu Fuß oder auf dem Walf – Sie erhalten Leih-Walfe beim Eigenulf Schicketanz. In Sauckelruh haben Sie ein Daruh, die Illatümer dort sind zwar klein, aber quemvoll.«

Selbst eine Groteske braucht so etwas wie einen Boden unter den Füßen, wenn schlichtweg alles behauptet werden kann, klingt’s nur nach Schreibtisch. Der Wiener Basil gefällt sich (ganz anders als Harris) in der Rolle des Demiurgen und errichtet in ermüdender Detailfülle ein zu Tode bürokratisiertes, in Dutzende von Fraktionen zerfallendes, schließlich mit Japan atomkriegführendes Reich, in dem ewige Walpurgisnacht herrscht, Geheimgesellschaften unter der Erde leben, Untermenschen auf Scheiterhaufen brennen oder zu Tieren zurückgezüchtet werden – ein übergeschnappt-gnadenloses Mittelerde, das aber nicht Horrorvision und Dystopie ist, sondern Fantasy und Gothic.

Basil entstellt sein Großgermanisches Weltreich bis zur Unkenntlichkeit. »In seinem rabenschwarzen Alptraum-Roadmovie von 1966 erfand Otto Basil wenig, sondern dachte nur die Nazi-Ideologie konsequent zu Ende«, liegt das Deutschlandradio zwar konsequent daneben; aber der Webfehler von »Wenn das der Führer wüßte« ist ihm trotzdem aufgefallen: »Streicht man etwa den germanischen Schwulst bei den Heilern und Pendlern, reibt man sich verwundert die Augen: Das ist nichts anderes als der Riesenmarkt kommerzieller Esoterik, die heute, ideologiebefreit, Milliardenumsätze macht.«

Denn merke: Je besser die Satire, desto weniger muß man streichen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg