Humorkritik | Mai 2011

Mai 2011

Kein Blech

Das Magazin Cracked ist eine interessante Episode der amerikanischen Mediengeschichte. 1958 gegründet, brachte es das satirische Heftchen bis zu seinem Niedergang im Jahr 2004 auf immerhin 365 Ausgaben, die in chaotischer Unregelmäßigkeit erschienen. Cracked verstand sich von Beginn an als Alternative zum legendären Mad-Magazin, kupferte aber schamlos Stil und Gestaltung des Vorbilds ab: die Filmparodien im Comicstil, die Titelbilder, sogar die Typographie – alles erinnerte an Mad. Komplett erfolglos war das Heftchen nie, in seinen besten Zeiten erreichte Cracked ein Drittel der Mad-Auflage.

Das Heft kam indirekt sogar nach Deutschland: Von 1975 bis 1982 erschien hierzulande Kaputt – Das Mazagin für unterdrückte Lebensfreude, das neben eigenen Inhalten auch übersetzte Beiträge aus dem Cracked Magazine enthielt. Ein Nachfolger kam 1983 unter dem Namen Stupid – das interessanteste Magazin der Welt an die Kioske, überlebte aber keine zwei Jahre.

Eine bittere Pointe der Cracked-Historie ereignete sich 2001, als ein Brief mit Anthrax-Pulver an das Gebäude, in dem auch die Redaktion ihren Sitz hatte, geliefert wurde. Sämtliche Original-Druckvorlagen des Magazins mußten vernichtet werden. Zu dieser Zeit war Cracked bereits so gut wie am Ende. 2007 gab es einen letzten Versuch, mit einem Relaunch (als Maxim-Imitation) neu durchzustarten, doch nach nur drei Ausgaben war endgültig Schluß.

Warum ich das alles erzähle? Weil Cracked im selben Jahr seine Webpräsenz eröffnete und cracked.com bis heute zu den erfreulichsten Humorseiten überhaupt gehört. Die Artikel beschäftigen sich in der Hauptsache mit unglaublichen Fakten aus Natur, Geschichte und Popkultur. Ein zugegeben vielbeackertes Feld, allein cracked.com versteht es, mir mit heißer Begeisterung und in vergnüglichem Englisch fast täglich ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Eine Auswahl der besten Beiträge, erweitert um eine Reihe neuer Texte, ist kürzlich als Taschenbuch erschienen (»You Might Be a Zombie and Other Bad News. Shocking but Utterly True Facts«, Plume). An alle, die von Überschriften wie »Five Classic Cartoon Characters with Traumatic Childhoods«, »Six Insane Things Science Might do with your Cadaver« oder »Four Mythological Beasts that Actually Exist« neugierig gemacht werden, ergeht hiermit mein Kaufbefehl.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg