Humorkritik | Februar 2007

Februar 2007

Moderner Martial

Klare Worte: »Was mir mein Landsitz bei Nomentum einbringt, fragst du mich, Linus./Das bringt mir der Landsitz ein: Dich, Linus, brauche ich nicht zu sehen!« Bzw.: »Warum ich dir meine Büchlein nicht schicke, Pontilianus?/Damit du mir nicht deine schickst.« Oder auch mal etwas verblümter: »Varro, du schreibst jeden Tag zweihundert Verse,/aber du trägst sie nicht vor. Dumm – und doch gar nicht so dumm.«

Ziemlich viel, nämlich über 1500 Gedichte, vom schlanken Einzeiler bis zum dicken Einundfünfzigverser, brachte auch der Römer Marcus Valerius Martial zu Papier, aber er trug sie klugerweise vor und machte sich mit ihnen einen Namen, von dem er bis heute leben könnte, wenn er nicht vor knapp 1900 Jahren gestorben wäre. »Ioci«, »Scherze«, nannte er selbst seine Verse, in denen er sich über Feind und Freund lustig machte, denn ein guter Satiriker schert sich nicht darum, wen er beleidigt. Wenngleich heute vieles, weil es erst dank mühsam zusammengefrickelter Fußnoten zu verstehen ist, für blitzschnellen Witz um beinahe zwei Jahrtausende zu spät kommt, bleibt doch genug übrig, was sich noch belachen oder, häufiger, begrinsen läßt.

Ziemlich groß ist Martial zum Beispiel, wie eben gelesen, in der Kunst der schnippischen Abfertigung; und dafür pfeift er sogar auf die Gründe: »Ich mag dich nicht, Sabidius, aber ich kann nicht sagen warum:/Nur das kann ich sagen: Ich mag dich nicht!« Über den Erfolg solcher Invektiven konnte sich Martial teuflisch freuen: »Jetzt lobt, liebt und singt ganz Rom meine Verse: es trägt mich/in der Tasche bei sich und in der Hand jedermann./Einer jedoch wird rot und blaß, sperrt das Maul auf und haßt mich./So ist’s recht: Es gefällt nun mir auch selber mein Werk.«

Hätte Martial nicht schon von Haus aus Martial geheißen, er hätte seinen vom Kriegsgott Mars herkommenden Namen mit seinen Versen verdient. Doch beherrschte er auch feinere Spottarten und verstand es z.B., den Gegner mit dessen eigenen Worten zu besiegen: »Was du von mir verlangst, sei gar nichts, sagst du, unverschämter Cinna. /Wenn du gar nichts, Cinna, verlangst, dann, Cinna, schlag ich dir auch gar nichts ab.« Oder mit leiser, geradezu tödlicher Hinterlist: »Paula wünscht mich zum Mann, ich will Paula nicht heiraten;/Sie ist eine alte Frau; ich wollte schon, wenn sie älter wäre.«

Es war kein Zufall, daß Lessing gerade die Epigramme Martials studierte, um die witzige Kunst von Vorbereitung (»Erwartung«) und Pointe (»Aufschluß«) zu lernen; vielleicht an diesem trocken pointierten Zweizeiler, der so beginnt: »Quintus liebt Thaïs. Welche Thaïs? Die nur ein Auge hat.« Pointe Marke Martial: »Ein Auge fehlt Thaïs, ihm fehlen beide.« Falls Sie wenigstens noch eins haben, schauen Sie mal in Ihren Martial rein.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg