Humorkritik | Februar 2007
Februar 2007

2006 literarisch
»Dies war literarisch kein bedeutendes Jahr.« Jedenfalls nicht für Tilman Krause, der zum Jahreswechsel in seiner beliebten Welt-Kolumne »Krauses Klartext« einiges zu kritisieren fand. Besonders von den »Angehörigen der Flakhelfer-Generation« zeigte Krause sich enttäuscht. An Grassens Autobiographie fand er allenfalls »sein jahrzehntelanges Rumsumpfen bis zum Erscheinen der ›Blechtrommel‹ von 1959« interessant. Die Frage, wann Grass die achthundert Romanseiten beim Rumsumpfen rausgerotzt hat, bleibt unbeantwortet.
Noch fragwürdiger scheint Krause das Werk des »anderen Zampano der Nachkriegsliteratur, Martin Walser, der 2006 mit einer überwiegend öden Wirtschaftssatire (›Der Augenblick der Liebe‹) auf den Markt kam.« Auf welchen Markt? Entweder bezieht Krause seinen Lesestoff von Flohmärkten, wo »Der Augenblick der Liebe« aus dem Jahr 2004 zu haben sein dürfte – oder er hat das Buch schlicht verwechselt mit Walsers letztem Werk »Die Angstblüte«, was ja wegen der Klangähnlichkeit der Titel durchaus möglich wäre. Genau wie Tilman Krause hier nicht zum ersten Male Arroganz mit Eleganz verwechselt hat.
Erfreulich an seinem Auftreten ist für mich, daß die im deutschen Literaturkritikbetrieb seit Fritz J. Raddatz’ Vergreisung verwaiste Position des Überfliegers und Bruchpiloten womöglich neu besetzt werden kann. Die Luftlöcher in Krauses Gedächtnis heißen mich hoffen.