Inhalt der Printausgabe

Mai 2004


Humorkritik
(Seite 5 von 8)

Lachen über Hans T.

In Holland gibt es, vom Ausland unbeachtet, eine große Stand-Up-Comedy-Szene. Pro Jahr besuchen fast zwei Millionen Zuschauer mehr als sechstausend Vorstellungen, deren jede erst dann so richtig komplett ist, wenn sie mindestens einen Gag über die Deutschen enthält. Da die meisten Komiker ihre Ringkämpfe mit der deutschen Grammatik schon in der ersten Runde verlieren, klingen sie nicht wie eine Parodie auf den teutonischen Tünsel, sondern wie Teilnehmer am Kurs "So werde ich Rudi Carrell in acht Tagen". Eine Ausnahme - nicht nur in dieser Beziehung - ist Hans Teeuwen. Sein Deutsch beleidigt nicht das Ohr, und seine Gags sind auch für Nicht-Niederländer amüsant.
Der Brabanter gewann 1991 mit seinem Partner Roland Smeek Camaretten einen Nachwuchswettbewerb. Damals machten die beiden rüdes Musiktheater. Auch heute überschreitet Teeuwen gerne und häufig die sog. Grenzen des guten Geschmacks. Bei den selbstbezichtigenden Gags ("Hans, wenn ich eins aus unserer Beziehung gelernt habe, dann das: Eine Frau soll niemals aus Mitleid mit einem Mann ins Bett gehen") denkt man an Woody Allen, die körperliche Aktion - Teeuwen tanzt, tobt und krakeelt mit überraschender Ausdauer über die Bühne - schmeckt nach Jim Carrey, und die Freude, das Publikum zu konsternieren, gemahnt an Andy Kaufman.
Glauben spielt in Holland eine große Rolle. So gibt es Holländer, die glauben, man könne in Lüdenscheid Urlaub machen, und es gibt nicht wenige, die meinen, ihre Neigung zum Konsens mache sie zum vornehmeren Teil der Weltbevölkerung. Damit spielt Teeuwen. So beginnt etwa ein Auftritt mit einem Gebet: Der Künstler wünscht sich vom Herrn Erfolg und Hingabe des Publikums. Nachdem die Zuschauer applaudiert und mit ihm das Vaterunser gesprochen haben, wird Teeuwen zum Gotteslästerer: "War ja klar, daß du meine Bitte erhörst! Denn ich bin erfolgreich, reich und weiß!"
Da Teeuwen gerne den Underdog gibt, hat er nach zwei Dritteln des Programms die Sympathie des Publikums. Dann erzählt er eine Geschichte aus seiner Schulzeit: Damals gab es einen wirklichen Underdog; Fons stottert und hat zu allem Überfluß einen Fleck wie Gorbatschow, nur nicht auf der Stirn, sondern auf dem Auge. Die Klasse hat es sich zum Sport gemacht, Fons zu ärgern, und damit der Sadismus richtig wirke, sind sie zur Abwechslung mal eine Woche nett. In dieser Woche bittet Fons Hans um Klavierunterricht. Für den Preis von 170 Gulden (die Geschichte stammt aus dem Programm "Trui" aus dem Jahr 2000) gibt Hans Unterricht. Fons macht keine Fortschritte. Aber er hat sich in Hans verliebt. Nach diesem Geständnis kann Hans unmöglich weiterunterrichten. Und wer kommt für den Verdienstausfall auf? Fons natürlich, er zahlt weiterhin 170 Gulden. Aber er fleht Hans an, niemandem von seiner Homosexualität zu erzählen.
Hans genießt sein Schweigegeld, kommt dann aber zu der Erkenntnis, daß Geld nicht alles ist im Leben - und steigert seine Popularität in der Klasse, indem er allen von dem schwulen Fons erzählt. Fons bringt sich um.
Einige Tage später steht Fonsens Vater vor Hansens Tür. Hans befürchtet Schlimmes, aber der Vater erzählt nur, wie Fons immer von Hans geschwärmt habe, und bittet ihn, die Grabrede zu halten. Hans willigt ein, sagt aber, daß er nicht sicher ist, ob er bei der Beerdigung seine Gefühle (unterdrücktes Kichern) im Zaum halten kann.
Bei der Beerdigung trägt Hans ein schwülstiges symbolisches Gedicht vor. Die Bühne wird dunkel. Aufs vermeintlich harmonische Ende folgt ergriffener Applaus im Saal. Teeuwen wendet sich ans Publikum. "Hat einer von Ihnen das Gedicht verstanden?" Schweigen, Kopfschütteln. "Das war totaler Blödsinn. Heuchelei. Und trotzdem haben Sie geklatscht. Und Sie meinen, Sie verstehen was von Satire? Das ist also mein Publikum! Ich bin enttäuscht!!"
Das aktuelle Programm von Hans Teeuwen heißt "Industry of Love", trotz des englischen Titels ist es - von möglichen deutschen Einsprengseln abgesehen - auf niederländisch. Wenn Holländer Mist produzieren - von Big Brother bis zu Wassertomaten -, exportieren sie ihn. Wenn sie was Interessantes haben, behalten sie's für sich - het is jammer!


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg