Inhalt der Printausgabe

Mai 2004


Humorkritik
(Seite 8 von 8)

Halbblutmusiker

Wer "School of Rock" gesehen und nicht nur als leichte Familienunterhaltung goutiert hat, wem Jack Blacks Lektionen über Theorie und Praxis der Rockmusik mehr Repetitorium denn Einführungsseminar waren, wer also in der Grundschule des Rock nicht in der ersten Klasse dreimal sitzengeblieben und dann auf die Britney-Spears-Hauptschule gewechselt ist, dem sei das Gesamtwerk der "besten Band der Welt" (Eigenwerbung) wärmstens ans Herz gelegt: Tenacious D - die Band, mit der Jack Black sich anschickt, die Welt zu erobern.
Vor der Musik-CD von Tenacious D allerdings schaffe man sich die DVD "The Complete Masterworks" (Epic Music Video) an, denn darauf ist das Hauptwerk des Duos Jack Black und Kyle Gass und außerdem die TV-Mini-Serie "Tenacious D", erstausgestrahlt 1999 von HBO, gespeist aus diversen Comedy-Liveauftritten der beiden Halbblutmusiker. Drei Doppelfolgen à zwanzig Minuten erzählen von zwei begeisterten Rockfans und ihrem Traum, gegen alle Widerstände endlich selbst echte Rockstars zu werden - mit der Betonung auf "echt", real im Sinne von authentisch.
Zugute kommt der offenbar ohne großen finanziellen Aufwand produzierten Serie die Bühnenerfahrung ihrer Protagonisten. Die Episoden folgen einem strengen Prinzip: Black und Gass, übergewichtig, schlecht gekleidet (beide) und kahl (Gass), treten bei der "Open Mic Night" des mäßig besuchten Clubs auf, an dessen Tür mal "Learn to play guitar in front of a real audience" steht, mal "All performers must wash hands". Jedesmal fällt die Ankündigung, die sie dem Moderator in die Hand drücken, peinlicher aus als zuvor ("Stick around, if you don't mind some cream in your jeans"), und immer werfen sie sich dann in Rockstar-Pose und beginnen einen epischen Rocksong, der desto alberner ausfällt, je angestrengter sie versuchen, auf ihren Akustikgitarren Hardrock zu spielen.
Erzählt werden prototypische Rockband-Abenteuer: In der ersten Folge feiern sich die beiden nach einem gelungenen Auftritt zwei Tage lang selbst ("We rocked!" - "We rocked so hard…!"), bis der Club-Manager anruft und ihnen mitteilt, sie seien auch für nächste Woche wieder herzlich eingeladen - allerdings hätte das Publikum den einen Song, den sie nun schon seit Monaten spielten, endgültig satt, und sie sollten sich endlich mal einen neuen ausdenken. Daraufhin beginnt die Suche nach "Inspirado", der Erfolgsdruck wächst, bis Black seinen Bandkollegen Gass derart beschimpft, daß dieser hinwirft. Natürlich ändert er seine Meinung wieder, und der Song, den sie beim nächsten Open-Mic-Abend singen, thematisiert dieses traumatische Erlebnis: "Last week Kyle quit the band, but now we're back together, nanananana."
Man ahnt, daß derart grundlegende Plots nicht in unbegrenzter Zahl existieren, und tatsächlich haben die Produzenten von "Tenacious D" gut daran getan, nach sechs guten Folgen keine weiteren mehr nachzuschieben. In diesen sechs werden dafür relevante Themen verhandelt: Was passiert mit der Band, wenn sich zwei in dasselbe Mädchen verlieben? Wenn sie einsehen müssen, daß der Traum vom Rockstarsein eben ein Traum bleiben wird, obwohl sie sich schon Maßanzüge für die Emmy-Verleihung gekauft haben? Wenn sie spontan den besten Song der Welt spielen, sich hinterher aber nicht erinnern können, wie er nun ging?
Gespannt bin ich, ob Regisseur Liam Lynch es schaffen wird, den Witz, den Tenacious D auf kurze Distanz zu entwickeln in der Lage sind, im bereits angekündigten Spielfilm "Tenacious D in: The Pick of Destiny" auf 90 Minuten zu bringen. Zu wünschen wäre es uns.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Puh, 47jährige,

bei Euch läuft es ja nicht so rund gerade. »Nur mit Unterhose bekleidet: 47-Jähriger flippt an Trambahn-Haltestelle aus« müssen wir pfaffenhofen-today.de entnehmen. InFranken meldet: »143 Autos in vier Jahren zerkratzt – 47jähriger Verdächtiger wurde festgenommen«, und schließlich versaut Rammstein-Ekel Lindemann Euch noch zusätzlich das Prestige. Der ist zwar lang nicht mehr in Eurem Alter, aber von dem Lustgreis ist in letzter Zeit dauernd im Zusammenhang mit Euch die Rede, weil er sich als 47jähriger in eine 15jährige »verliebt« haben will.

Und wenn man sich bei so viel Ärger einfach mal einen antrinkt, geht natürlich auch das schief: »Betrunkener 47-Jähriger landet in Augustdorf im Gegenverkehr«, spottet unbarmherzig lz.de.

Vielleicht, liebe 47jährige, bleibt Ihr besser zu Hause, bis Ihr 48 seid?

Rät die ewig junge Titanic

 Sind Sie sicher, Rufus Beck?

Im Interview mit Deutschlandfunk Kultur zum 25. Jubiläum des Erscheinens des ersten deutschsprachigen »Harry-Potter«-Buchs kamen Sie ins Fantasieren: Würde Harry heutzutage und in der echten Welt leben, dann würde er sich als Klimaschützer engagieren. Er habe schließlich immer für eine gute Sache eingestanden.

Wir möchten Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Harry Potter ein Zauberer ist, sich folglich gar nicht für den Klimaschutz engagieren müsste, sondern ihn mit einem Schnips obsolet machen könnte. Da allerdings in sieben endlos langen »Harry Potter«-Bänden auch keine Klassenunterschiede, Armut oder gar der Kapitalismus weggezaubert wurden, fragen wir uns, warum Harry gerade bei der Klimakrise eine Ausnahme machen sollte. Aber wo Sie schon so am Fabulieren sind, kommen wir doch mal zu der wirklich interessanten Frage: Wie, glauben Sie, würde sich Ihr Kämpfer für das Gute zu Trans-Rechten verhalten?

Hat da so eine Ahnung: Titanic

 Ei Gude, Nancy Faeser!

Ei Gude, Nancy Faeser!

Als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl stellen Sie im Wahlkampf wöchentlich eine weitere Verschärfung des Asylrechts in Aussicht, um bei Ihren stockkonservativen hessischen Landsleuten zu punkten. Das Dumme ist nur, dass Sie damit bis jetzt bei Ihrer Zielgruppe nicht so recht ankommen. Der sind Sie einfach zu zaghaft.

Da hilft nur eins: Klotzen, nicht kleckern! Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hat es doch vorgemacht und sich über die Abschiebung von 69 Afghan/innen an seinem 69. Geburtstag gefreut! Das haben alle verstanden. Tja, Ihr 53. Geburtstag am 13. Juli ist schon rum, die Chance ist vertan! Jetzt hilft nur noch eins: gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Thilo Sarrazin!

Und flankierend: eine Unterschriftensammlung gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die es Migrant/innen erleichtert, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne die eigene aufzugeben. Für Unterschriftenaktionen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sind die Hess/innen seit jeher zu haben (»Wo kann ich gegen die Ausländer unterschreiben?«). Und dass Sie damit gegen Ihren eigenen Gesetzentwurf agitieren – das werden die sicher nicht checken!

Darauf wettet Ihre Wahlkampfassistenz von der Titanic

 Du, Krimi-Autorin Rita Falk,

bist mit der filmischen Umsetzung Deiner zahlreichen Eberhofer-Romane – »Dampfnudelblues«, »Sauerkrautkoma«, »Kaiserschmarrndrama« – nicht mehr zufrieden. Besonders die allerneueste Folge, »Rehragout-Rendezvous«, erregt Dein Missfallen: »Ich finde das Drehbuch unglaublich platt, trashig, stellenweise sogar ordinär.« Überdies seien Szenen hinzuerfunden worden und Charaktere verändert. Besonders verabscheuungswürdig seien die Abweichungen bei einer Figur namens Paul: »Der Film-Paul ist einfach ein Dorfdepp.«

Platt, trashig, ordinär – das sind gewichtige Vorwürfe, Rita Falk, die zu einer vergleichenden Neulektüre Deiner Romane einladen. Da fällt uns übrigens ein: Kennst Du die Geschichte vom Dorfdeppen, der sich beschwert, dass der Nachbarsdorfdepp ihn immer so schlecht imitiert?

Wär’ glatt der Stoff für einen neuen Roman!

Finden Deine Trash-Flegel von Titanic

 Sakra, »Bild«!

Da hast Du ja wieder was aufgedeckt: »Schauspieler-Sohn zerstückelt Lover in 14 Teile. Die dunkle Seite des schönen Killers. Im Internet schrieb er Hasskommentare«. Der attraktive, stinknormal wirkende Stückel-Killer hat Hasskommentare im Netz geschrieben? So kann man sich in einem Menschen täuschen! Wir sind entsetzt. Dieses Monster!

Indes, wir kennen solche Geschichten zur Genüge: Ein Amokläufer entpuppt sich als Falschparker, eine Kidnapperin trennt ihren Müll nicht, die Giftmischerin hat immer beim Trinkgeld geknausert, und das über Leichen gehende Hetzblatt nimmt’s gelegentlich mit der Kohärenz beim Schlagzeilen-Zusammenstückeln nicht so genau.

Grüße von der hellen Seite des Journalismus Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Brotlose Berufsbezeichnung

Ich arbeite seit Jahren erfolgreich als honorarfreischaffender Künstler.

Jürgen Miedl

 Kartoffelpuffer

Die obligatorische halbe Stunde, die deutsche Rentnerehepaare zu früh am Bahnhof erscheinen.

Fabio Kühnemuth

 Backpainer-Urlaub

Eine Thailandreise ist die ideale Gelegenheit, sich bei unzähligen Thaimassagen endlich mal jene Rückenschmerzen rauskneten zu lassen, die man vom Tragen des Rucksacks hat, den man ohne die Thailandreise gar nicht gekauft hätte.

Cornelius W. M. Oettle

 Löffelchenverbot

Ich könnte niemals in einer Beziehung mit Uri Geller sein. Ich will mich einfach für niemanden verbiegen.

Viola Müter

 Tagtraum im Supermarkt

Irre lange Schlange vor der Kirche. Einzelne Gläubige werden unruhig und stellen Forderungen. Pfarrer beruhigt den Schreihals vor mir: »Ja, wir machen gleich eine zweite Kirche auf!«

Uwe Becker

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.10.2023 Frankfurt, Elfer Hauck & Bauer mit Julia Mateus
08.10.2023 Berlin, BAIZ Katharina Greve
10.10.2023 Cuxhaven, Ringelnatz-Museum Thomas Gsella
10.10.2023 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview«