Tag ohne Einkunft
Heute ist mal wieder kein besonderer Tag, denn heute ist ein Tag ohne Einkunft. Arbeiten gehen kommt leider nicht in Frage. Aber vielleicht kommen morgen schon richtig geile Antwort-Emails auf die ganzen verschickten Förderanträge. TITANIC wirft einen Blick in den Postausgang von TITANIC-Mitarbeiter:innen.
Heute: Ferdinand Führer und Roland van Oystern
Deutscher Literaturfonds
Lieber Deutscher Literaturfonds,
keiner gibt so fett wie Sie. 25 000 Euro für Gedichte, wo gibt’s so was? Ich schreibe zufällig auch Gedichte, und die sind keinen Deut schlechter oder besser als die von allen anderen. Ich versichere Ihnen dies. Meine Bedürftigkeit eilt mir voraus. Meine einst köstlichen, leinenen Kleider und seidenen Schleier bröseln mir vom Leib. Einst aß ich Semmeln, Öl und Honig, jetzt habe ich nur noch Geruch. Ich bin eine Schande für die Nachbarschaft, und deshalb bitte ich Sie, so sehr wie ich noch niemals jemanden bat, geben Sie mir die Förderung.
Aufrichtigst
Ihr Ferdinand Führer
Kultur- und Brauchtumsstiftung der Kreissparkasse Weißenfels
Liebe Kultur- und Brauchtumsstiftung der Kreissparkasse Weißenfels,
wenn ich eines in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt habe, dann waren es Kultur und Brauchtum. Mein dürftiges Betragen erfüllt mich mit glühendem Zorn und kleidet mich in Entsetzen. Dass Ihre Förderung wohnsitzgebunden ist, kommt mir sogar entgegen. In meiner Wohnung hält mich nichts mehr. Streng genommen habe ich die auch schon gar nicht mehr. Mit Ihrer Zuwendung könnte ich in Weißenfels zum Beispiel Volkstänze auf dem Parkplatz Ihrer Filiale aufführen lassen. Brezelsingen, Rübenaustragen, Trachtenfischen – kein einziges Brauchtum, das ich nicht pflegen werde!
Ich verspreche es Ihnen
Ihr Roland van Oystern
Werner-Stober-Stiftung Karlsruhe – Stiftung des privaten Rechts
Lieber Werner,
ich darf doch Werner schreiben? Auch ich bin privat eher rechts. Genderhorror, Umweltterror, Asyltyrannei. Alle wollen nur noch Alte pflegen und niemand will mehr fürs Vaterland sterben. Wer denkt da noch an Leute wie dich und mich? Außer du. Wegen jedem Mist wird man angezeigt. Nur weil man ausspricht, was jeder denkt, und sich vielleicht auch so verhält. Deswegen muss ich leider, leider voll und ganz auf deine Zuwendung setzen. Bankkonto habe ich keines mehr. Gerne können wir uns zur Bargeldübergabe in einer Kneipe oder im Pornokino treffen.
Mit digitalem Händedruck
Dein Kamerad Ferdinand
Institut für Spiritualität im Bistum Mainz: Finanzielle Unterstützung für Exerzitien
Liebes Bistum Mainz,
auf Ihrer Homepage habe ich gelesen, dass Sie Exorzismen fördern. Leider bin derzeit besessen und habe überhaupt kein Geld für eine Austreibung. Ich habe auch für alles andere kein Geld. Wenn einem täglich der Satan im Leib herumspukt, ist an Festanstellung nicht zu denken. Selbst Minijob fällt schwer. Besessenheit kann jeden treffen. Morgens fühle ich mich wie ans Bett gefesselt, abends bin ich aber überhaupt nicht müde und hänge die ganze Zeit im Internet rum. In meiner dunkelsten Stunde wende ich mich an Sie. Geizen Sie nicht mit Nächstenliebe. Lenken Sie den Klingelbeutel in die Richtung des Geringsten Ihrer Nichtmitglieder.
Herzliche Segensgrüße
Ihr Roland van Oystern
PS: Falls das mit dem Geld für den Exorzismus nicht klappt, kann ich dann wenigstens mal bei euch pennen?
Sportstiftung Hessen: Sportförderung für Nachwuchssportler
Liebe Sportstiftung Hessen,
in Ihren Leitbild steht, Sie fördern leistungsunabhängig und nach Bedürftigkeit. Bitte fördern Sie mich leistungsunabhängig, mein Bedürftigkeitslevel ist bei 100. Eigentlich bin ich noch gar nicht so alt. Aber schon zu alt für die meisten Literaturförderungen. Bei der Kunststiftung Baden-Württemberg ist die Voraussetzung ein abgeschlossenes Literaturstudium. Eine dümmere Voraussetzung kann sich kein Mensch vorstellen. Ich zumindest nicht. Sie vielleicht? Bitte überweisen Sie mir alsbald den Höchstsatz. Es ist die letzte Hoffnung auf ein würdevolles nächstes Jahr. Ich kann dann auch Liegestütze üben. Zur Zeit schaffe ich sechs bis sieben.
Mit sportlichem Gruß
Ferdinand Führer
Desiderius-Erasmus-Stiftung e. V.
Liebe Desiderius-Erasmus-Stiftung,
da ich auf Ihrer Webseite kein Antragsformular finden konnte, schreibe ich Ihnen jetzt ganz unverkrampft per Email. Wie Erasmus von Rotterdam werde ich auch als Fürst der Humanisten bezeichnet. Allerdings nur von mir selber. Mein Umfeld ist blind und dumm. Die Frau vom Amt hat mich sogar schon mal als faulen Arsch kritisiert. Die Herabwürdigungen nehmen täglich zu. Meine Not wächst. Bitte haben Sie ein Einsehen. Bewilligen Sie mir etwas ohne blöde Rückfragen. Andernfalls muss ich nach Weißenfels in scheiß Sachsen-Anhalt, mit Verlaub. An dieser Stelle bin ich gezwungen zu schließen, denn in wenigen Sekunden wird mein Strom abgestellt.
Deutscher Gruß
Roland van Oystern
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